Die Maurin
seinem Jugendfreund die Hand auf die Schulter. »Schon als Knabe habe ich dir geschworen, mein Leben für dich zu geben – und ich halte meine Versprechen!«
Begleitet von Ismails und seinen eigenen Truppen, ritt Boabdil am nächsten Tag in Granada ein. Als die Stadtwächter ihn erkannten, fielen sie vor ihm auf die Knie. Die Nachricht seiner Rückkehr verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt. Von allen Seiten strömten Menschen herbei und jubelten ihm zu, viele Adlige verstärkten mit ihren Soldaten Boabdils Gefolge, und auch der von Hassan in der Stadt zurückgelassene Teil seiner Truppe unterstellte sich ihm kampflos. Erst in der Nacht kam es zu Zusammenstößen, über die Ismail Boabdil sofort Mitteilung machte. »Einige der Adligen haben sich zusammengeschlossen, um den Thron für Hassan zurückzuerobern! Von Hassan selbst ist noch nichts zu sehen. Entweder er weiß noch nicht, dass du ihm seinen Titel streitig machst, oder er will sich gründlich vorbereiten, bevor er zu einem Gegenschlag ausholt.«
Boabdil und Ismail zogen mit ihren Truppen aus, um die Aufständischen zu bekämpfen. Vier Tage lang bebte die Stadt unter den Auseinandersetzungen, aber dann hatte Boabdil mit seinen Getreuen den Aufstand niedergeschlagen. Den Anhängern seines Vaters, die bereit waren, ihm die Treue zu schwören, schenkte er die Freiheit, alle anderen sperrte er in den Kerker.
Als sich Boabdil tags darauf dem Volk präsentierte, erzitterte die Stadt unter dem Jubel der Menschen. Eine Eskorte wurde ausgeschickt, um Morayma von den Gütern ihres Vaters an die Seite ihres Gemahls zu geleiten. Jetzt endlich sollten auch sie und Boabdil vereint sein und dem Volk zeigen, dass die lange Herrscherkette der Nasriden fortgeführt wurde.
Zahra erfuhr von dem Freudentaumel der Menschen in Granada nur vom Hörensagen. Da sie in Aischas Auftrag und zum Wohle Granadas gehandelt hatte, verzieh ihr Vater ihr zwar, untersagte ihr jedoch, die Seidenfarm zu verlassen. Ohne Murren fügte sich Zahra seiner Anweisung, zumal sie es genoss, endlich wieder unter ihren Lieben zu sein. Ihre Mutter hatte ihr Verschwinden zwar beunruhigt, aber sie gestand Zahra, dass sie nie Zweifel an den guten Gründen für ihr Weggehen gehabt habe. »Ich vertraue dir, mein Kind, das habe ich immer getan!«
Jeden Nachmittag saß Zahra mit ihrer Mutter und Zainab im Frauenzimmer, webte und stickte, und am Abend zog sie sich mit Hayat in den Garten zurück, wo sie ungestört reden konnten. Ihr Hauptthema war immer wieder Miguel. Zwar hatte Hayat noch immer nichts von ihm gehört, aber sie war sicher, dass er gut zu Hause angekommen war und sie nicht vergessen hatte. »Ich spüre das!«
Nun endlich gestand Zahra ihr, dass auch sie sich in einen Christen verliebt habe, wollte ihr aber nicht seinen Namen nennen. »Ich sage dir das nur, damit du siehst, dass ich dich verstehen kann, und ich hoffe genauso sehr wie du, dass wir auch weiterhin von dem Leben, das uns in Marokko erwartet, verschont bleiben.«
»Aber Vater will doch nicht, dass du in die Alhambra zurückkehrst …«
»Ich hoffe, dass er seine Meinung noch ändern wird, wenn sein Ärger über mich erst einmal abgeflaut ist.«
Und wenn Aischa und Boabdil mich nicht vergessen haben und sich für mich einsetzen,
dachte sie weiter und verspürte einen Stich, dass sie dies nicht schon längst getan hatten. Um auf andere Gedanken zu kommen, fragte sie nach Deborah. Als sich ihre Niederkunft näherte, war sie zu ihren Eltern gereist, und Leonor hatte von ihr Nachricht erhalten, dass sie inzwischen eine gesunde Tochter geboren hatte. »Wie gern würde ich Raschids Tochter sehen!«, seufzte sie, doch ihr Vater wollte sie nicht zu Deborah reisen lassen.
Zehn Tage später bestellte ihr Vater sie in sein Arbeitszimmer. Voller Hoffnung, dass er ihr wieder mehr Freiheiten lassen würde, eilte Zahra zu ihm. Mit vor Aufregung geröteten Wangen stürmte sie in sein Zimmer und strahlte ihren Vater an. »Ihr habt mich rufen lassen?«
Sehr förmlich bat er Zahra, neben ihm auf dem Diwan Platz zu nehmen, so dass sich diese erschrocken fragte, was sie denn nun schon wieder ausgefressen haben sollte. Sie hatte sich doch streng an alle seine Anweisungen gehalten. Noch nicht einmal einen heimlichen Ausritt mit dem prächtigen Araberhengst, den ihr Vater gekauft hatte, hatte sie sich zugestanden, obwohl es ihr mehr als einmal in den Fingern gejuckt hatte, mit dem feurigen Rappen frühmorgens, wenn alle noch
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