Die Maurin
vom Blut der Gefallenen, ohne dass sich eines der beiden Heere einen Vorteil verschaffen konnte. Gonzalo und Miguel blieben stets dicht zusammen und standen einander bei. In jeder Atempause vergewisserten sie sich mit einem kurzen Blick des Wohlergehens des anderen, was Gonzalo an ihre Zeit im Kloster erinnerte, in der sie sich so manches Mal gegen Haudegen der älteren Jahrgänge hatten verteidigen müssen. Dann aber wurden sie beide von je zwei Mauren zugleich angegriffen, und als sich Gonzalo das nächste Mal nach Miguel umdrehte, sah er, wie dieser von einem Mauren mit der Lanze vom Pferd gestoßen wurde. Mit einem gewaltigen Schlag krachte Miguel zu Boden. Wiehernd stieg sein Pferd hoch.
»Pass auf, die Hufe!«, brüllte Gonzalo, doch sein Freund war mit seiner schweren Ritterrüstung kaum beweglicher als eine auf dem Rücken liegende Schildkröte. Im Geiste sah Gonzalo die Hufe des Pferdes schon Miguels Kopf zermalmen, doch im letzten Moment gelang es Miguel, sich zur Seite zu drehen – und die Hufe donnerten kaum eine Handbreit neben seinem Kopf zu Boden. Zwei Mauren rissen Miguel auf die Füße und stießen ihn zu den übrigen Gefangenen. Gonzalo wendete sein Pferd, um ihm zu Hilfe zu eilen, doch da wurde er erneut selbst angegriffen. Mit einem satten Klirren kreuzten sich die Klingen. Die Schläge folgten so schnell aufeinander, dass Gonzalo Mühe hatte zu parieren. Endlich sah er die Möglichkeit, sein Schwert dem Mauren in die Seite zu rammen, doch sein Gegner wich ihm geschickt aus und stieß selbst kraftvoll zu. Mit unheilvollem Knirschen drang der Krummsäbel in Rippenhöhe in Gonzalos Rüstung. Der Schmerz war so heftig, dass er im ersten Moment kaum noch Luft bekam. Als der Maure sein Schwert zurückriss, um ihn erneut anzugreifen, rammte Gonzalo ihm seine gepanzerte Faust gegen den Kopf. Der Maure verdrehte die Augen und sank vom Pferd. Zwei durchgegangene, reiterlose Pferde trampelten über ihn hinweg. Als auch noch ein drittes auf ihn trat, zuckte der Körper nicht mehr.
Gonzalo sah sich nach Miguel um und entdeckte ihn in einem Gefangenentrupp vor der Stadt. Er fluchte, ignorierte den Schmerz in seiner Seite und setzte ihnen nach, doch dann stieß ein berittener Maure seinem Rappen das Schwert in den Hals. Röchelnd brach das Tier zusammen. Gonzalo stürzte mit dem Pferd zu Boden und geriet dabei unter seinen Leib. Ein höllischer Schmerz zischte von seinem Bein durch den ganzen Körper – dann verlor er das Bewusstsein.
Dicht aneinandergedrängt standen Zahra, Hayat und Zainab am Maschrabiya-Gitter vor dem Fenster der Frauengemächer in Ali al-Attars Palast und beobachteten die seit dem Morgen vor der Stadt tobenden Kämpfe, während Ali al-Attars Frauen und Töchter sich weiter fröhlich schwatzend ihren Stickarbeiten widmeten und Leonor ein wenig abseits von ihnen auf dem Diwan ausgestreckt lag. Ihr Leib war inzwischen wohlgerundet, und sie litt sehr unter der drückenden Sommerhitze, obwohl ihre Dienerin ihr Kühlung zufächelte und Tamu ihr in regelmäßigen Abständen feuchte Tücher auf die Stirn legte.
»Mein Gott, meint ihr wirklich, wir sind hier so sicher, wie die anderen Frauen behaupten?«, krächzte Zainab bang, als ein Maure direkt vor der Stadtmauer von einem Christen mit einer Lanze durchbohrt wurde und sterbend in den Staub sank. »Wenn Vater, Raschid und Yazid von den Schlachten erzählt haben, hat sich das immer so edel und heldenhaft angehört, aber das hier …« Entsetzt bedeckte sie ihr Gesicht mit den Händen, ließ sie einen Atemzug später aber doch wieder ein Stück weit sinken, als müsse sie dem Grauen vor der Stadt weiter zusehen, um es begreifen zu können.
Während die maurischen Soldaten einen Gefangenentrupp mit brutalen Stößen durch das Hoftor trieben, ergriff Hayat Zahras Hand. Zahra ahnte, was in ihr vorging.
»Er ist gewiss nicht dabei«, wisperte sie ihrer Halbschwester zu und erwiderte den Druck ihrer Hand kurz und bestimmt. »Wahrscheinlich ist er überhaupt nicht auf diesem Schlachtfeld!«
Hayat aber blieb angespannt und hob, senkte und neigte den Kopf, um durch das engmaschige Holzgitter einen Blick auf die Gesichter der Gefangenen erhaschen zu können, doch der Trupp war zu weit von ihnen weg, um Details erkennen zu können, und kurz darauf verschwand er in einer Nebenstraße. Immer näher rückten die Christen auf die Stadt zu. Zahra sah, wie eine Gruppe von ihnen Pfeile in Brand setzte. Die erste Salve landete auf einem freien Platz
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