Die Mausefalle
ihm sein Erstaunen mitzuteilen, worauf Pollard sofort an Japp dachte. Er ließ den Arzt im Haus zurück und eilte zum Gasthof.
Bis Pollard seine Geschichte zu Ende erzählt hatte, waren wir im »Leigh House« angekommen, einem großen, düsteren Haus in einem ungepflegten, unkrautüberwucherten Garten. Die Eingangstür stand offen und wir gingen durch die Halle in ein kleines Frühstückszimmer, aus dem Stimmen drangen. Vier Leute waren im Raum: ein hastig angekleideter Mann mit schlauem, unangenehmem Gesicht, den ich auf Anhieb nicht mochte, eine Frau von ähnlichem Typ, obwohl irgendwie stattlich, eine weitere Frau in Schwarz, die abseits stand und die ich für die Haushälterin hielt, und ein großer Mann in sportlichem Tweed mit energischem, klugem Gesicht. Offenbar war er Herr der Lage.
»Dr. Giles«, sagte Pollard, »das sind Kriminalinspektor Japp von Scotland Yard und seine beiden Freunde.«
Der Arzt begrüßte uns und machte uns mit Mr und Mrs Parker bekannt. Dann wurden wir hinaufbegleitet. Auf ein Zeichen von Japp blieb Pollard unten, um das Haus zu überwachen. Der Arzt führte uns oben durch einen Korridor. Am Ende gähnte ein leerer Türrahmen, Splitter hingen noch in den Angeln. Die Tür selbst war ins Zimmer auf den Boden gekracht.
Wir traten ein. Die Leiche lag noch auf dem Boden. Protheroe trug einen Bart und hatte graue Schläfen. Japp kniete sich neben dem Toten nieder.
»Warum konnten Sie ihn nicht so lassen, wie Sie ihn fanden?«, brummte er.
Der Arzt zuckte die Schultern. »Wir hielten es für einen klaren Fall von Selbstmord.«
»Hm! Die Kugel trat hinter dem linken Ohr ein.«
»Genau«, bestätigte der Arzt. »Es ist ganz unmöglich, dass er sich selbst erschossen hat. Er hätte mit der Hand um den Kopf langen müssen – also ganz unmöglich.«
»Und doch hielt er die Pistole in seiner Hand? Wo ist sie übrigens?«
Der Arzt wies mit dem Kopf zum Tisch.
»Aber sie wurde nicht mit den Fingern festgehalten, sondern lag nur in seiner Hand, die Finger darum geschlossen.«
»Nachträglich hineingelegt«, sagte Japp. »Das ist sehr deutlich.« Er prüfte die Waffe. »Ein Schuss fehlt. Wir werden sie auf Fingerabdrücke untersuchen, aber ich bezweifle, ob wir welche finden, außer Ihren, Dr. Giles. Wie lange ist er schon tot?«
»Seit heute Nacht. Ich kann das nicht bis auf eine Stunde genau bestimmen wie die großartigen Ärzte in den Kriminalromanen. Grob gesagt, ungefähr zwölf Stunden.«
Bis jetzt hatte Poirot sich nicht gerührt. Er stand neben mir, beobachtete Japp bei der Arbeit und lauschte den Fragen und Antworten. Nur ab und zu schnupperte er vorsichtig in der Luft, als sei er über etwas erstaunt. Ich hatte auch geschnuppert, roch aber nichts Interessantes. Die Luft war frisch und ohne Geruch. Und doch schnupperte Poirot von Zeit zu Zeit wieder verdächtig, als habe seine feine Nase etwas entdeckt, das der meinen nicht aufgefallen war.
Dann, als Japp von dem Toten zurücktrat, kniete Poirot sich neben ihm nieder. Die Verletzung interessierte ihn nicht. Zuerst dachte ich, er untersuche die Finger der Hand, mit der Protheroe die Pistole gehalten hatte, doch dann merkte ich, dass es das Taschentuch im Ärmelaufschlag war. Protheroe trug einen dunkelgrauen Straßenanzug. Schließlich erhob sich Poirot von den Knien, aber seine Augen glitten immer wieder zum Taschentuch zurück, als sei er über etwas erstaunt.
Japp rief Poirot und bat ihn, ihm zu helfen, die Tür aufzurichten. Ich ergriff die Gelegenheit, um mich neben den Toten zu knien. Ich zog das Taschentuch aus dem Ärmel und untersuchte es genau. Es war ein ganz gewöhnliches Taschentuch aus weißem Batist ohne Wäschezeichen oder irgendwelche Flecken. Ich steckte es wieder zurück, schüttelte den Kopf und gab mich geschlagen.
Die andern hatten die Tür aufgerichtet und suchten den Schlüssel. Sie suchten vergeblich.
»Damit ist alles klar«, sagte Japp. »Das Fenster ist geschlossen und verriegelt. Der Mörder verschwand durch die Tür, schloss ab und nahm den Schlüssel mit. Er dachte, das würde genügen und man würde glauben, Protheroe habe sich eingeschlossen und erschossen. Er hoffte, dass das Fehlen des Schlüssels nicht bemerkt würde. Sind Sie einverstanden, Poirot?«
»Ja, schon, aber es wäre einfacher und klüger gewesen, den Schlüssel unter der Tür durchzuschieben. Dann hätte es ausgesehen, als sei er aus dem Schloss gefallen.«
»Ah, gut, doch Sie können nicht erwarten, dass alle so kluge
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