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Die Mausefalle

Die Mausefalle

Titel: Die Mausefalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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getrieben hatten. Sie betrachtete sie als Mörder und sah dann plötzlich eine Chance, sie für die Tat büßen zu lassen, an der sie schuld waren. Sie allein wusste, dass er Linkshänder war. Sie schob die Pistole in seine rechte Hand, schloss das Fenster, legte den Manschettenknopf hin, den sie in einem der unteren Zimmer gefunden hatte, ging hinaus, schloss die Tür ab und nahm den Schlüssel mit.«
    »Poirot«, rief ich in einem Anfall von Begeisterung. »Sie sind großartig! Und das alles nur wegen eines Taschentuchs!«
    »Und wegen des Zigarettenrauchs. Wenn das Fenster geschlossen gewesen wäre, während die vielen Zigaretten geraucht wurden, hätte die Luft voll altem Rauch sein müssen. Sie roch aber frisch, daher folgerte ich, dass das Fenster die ganze Nacht offen gewesen war und erst am Morgen geschlossen wurde, was mich auf eine sehr interessante Spur brachte. Ich konnte mir keinen Grund vorstellen, weshalb der Mörder das Fenster lieber geschlossen haben wollte. Es musste zu seinem Vorteil sein, wenn es offen stand, und man glaubte, er sei auf diese Weise geflüchtet, falls die Selbstmordversion nicht überzeugte. Dann hat die Aussage des Landstreichers meinen Verdacht bestätigt. Er hätte das Gespräch niemals mit anhören können, wenn das Fenster geschlossen gewesen wäre.«
    »Fabelhaft!«, sagte ich mit Überzeugung. »Wie wäre es jetzt mit einer Tasse Tee?«
    »Gesprochen wie ein wahrer Engländer«, antwortete Poirot und seufzte. »Vermutlich besteht keine Aussicht ein Glas Sirup zu bekommen?«

Poirot geht stehlen
     
    S eit einiger Zeit fiel mir auf, dass Poirot zusehends unzufriedener und unruhiger wurde. Wir hatten keine interessanten Fälle mehr gehabt, nichts, an dem mein kleiner Freund seinen scharfen Verstand und seine ungewöhnliche Begabung für logische Folgerungen messen konnte. An diesem Morgen warf er die Zeitung mit einem ungeduldigen »Tschah« hin – einem seiner Lieblingsausrufe, der wie das Niesen einer Katze klang.
    »Man fürchtet mich, Hastings; die Verbrecher in Ihrem England fürchten mich. Sobald die Katze da ist, wagen sich die Mäuse nicht mehr an den Käse.«
    »Ich vermute, dass die meisten nicht einmal von Ihrer Existenz etwas wissen«, entgegnete ich lachend.
    Poirot sah mich vorwurfsvoll an. Er bildet sich immer ein, dass die ganze Welt nur an Hercule Poirot denkt und über ihn spricht. Er hatte sich zwar in London einen Namen gemacht, aber ich konnte mir kaum vorstellen, dass seine bloße Existenz in der Verbrecherwelt Schrecken verbreitete.
    »Was ist mit dem Raubüberfall von neulich, auf den Juwelier in der Bond Street?«, fragte ich.
    »Ein sauberer Coup«, meinte Poirot anerkennend, »obwohl nicht auf meiner Linie. Pas de finesse, seul e ment de l’audace! Ein Mann mit einem bleibeschwerten Spazierstock zertrümmert das Sicherheitsglas eines Juweliergeschäfts und erwischt ein paar wertvolle Steine. Beherzte Passanten nehmen ihn sofort fest, ein Polizist kommt dazu. Er wird auf frischer Tat samt Juwelen geschnappt und abgeführt. Dann entdeckt man, dass die Steine gefälscht sind. Die echten gab er einem Komplizen – einem der beherzten Passanten. Er wird bestimmt ins Gefängnis wandern, aber wenn er herauskommt, erwartet ihn immerhin ein hübsches kleines Vermögen. Ja, nicht schlecht eingefädelt. Aber ich könnte schwierigere Fälle lösen! Manchmal bedaure ich, Hastings, dass ich so schrecklich moralisch veranlagt bin. Gegen das Gesetz zu handeln müsste zur Abwechslung mal Spaß machen.«
    »Kopf hoch, Poirot! Sie wissen, dass Sie in Ihrem Beruf einmalig sind.«
    »Aber was gibt’s da zu tun?«
    Ich schlug die Zeitung auf.
    »Hier… ein Engländer ist auf geheimnisvolle Weise in Holland ums Leben gekommen«, sagte ich.
    »So heißt es immer – und später stellt sich heraus, dass er verdorbenen Büchsenfisch gegessen hat und eines ganz natürlichen Todes starb.«
    »Nun, wenn Sie unbedingt schmollen wollen…«
    »Tiens!«, sagte Poirot, der zum Fenster hinübergeschlendert war. »Dort unten auf der Straße geht eine ›dicht verschleierte Dame‹, wie es in Romanen immer so schön heißt. Sie kommt die Stufen hoch und läutet – sie will zu uns. Das könnte interessant werden. Wenn man so jung und hübsch ist wie sie, verschleiert man das Gesicht nicht, außer es handelt sich um eine große Sache.«
    Kurz darauf wurde unsere Besucherin eingelassen.
    Wie Poirot gesagt hatte, war sie tatsächlich tief verschleiert. Es war unmöglich, ihre Züge

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