Die Maya-Midgard-Mission
holen, würde seine Macht stärken. Vielleicht würde es auch helfen, ihm einen männlichen Nachkommen zu verschaffen. Zum Teufel, das war alles, was ihn interessierte, alles, was ihn antrieb. Er würde sich in die Fußstapfen Alexander des Großen begeben. Er würde das Tor zum Orient aufstoßen. Jedoch nicht, um König zu werden, wie ihm das die eifersüchtigen Jakobiner und ihresgleichen nur zu gerne unterstellten. Ein Thron! Was war das schon? Vier Stücke Holz, die mit einem Stück Samt überzogen waren. Nein, ein Napoleon Bonaparte wusste, dass alles nur von dem abhängt, der sich darauf niederlässt. "Ein Monarch ist in der Natur nicht vorhanden, er ist nur in der menschlichen Zivilisation; es gibt keinen in nacktem Zustande, er existiert nur in Kleidern", murmelte er im Selbstgespräch und nestelte dabei mit der Rechten am mittleren seiner Uniformknöpfe.
" Von wem sprichst du, Bonaparte?", fragte Joséphine, die ihren selbstversunkenen Gatten aufmerksam beobachtete. "Ich weiß, dass dir Äußerlichkeiten nicht viel bedeuten. Aber das ist vielleicht ein Fehler." Sie wackelte aufreizend mit ihrem 'Deliziosum' und bedeckte es dann erneut mit dem Laken. "Äußerlichkeiten bewirken mehr, viel mehr, als du denkst. Sie können die Welt erschüttern. Weshalb feiern dich die Franzosen als ihren neuen Nationalhelden?"
Napoleon wollte aufbegehren, doch Joséphine mahnte ihn mit erh obener Hand. "Weil du die Ehre Frankreichs im Felde behauptet hast, natürlich. Aber erfahren hat das Volk von deiner Größe aus den Zeitungen, aus den Geschichten, aus den Bildern, aus all den gesammelten und verbreiteten Äußerlichkeiten unserer eitlen Zeit."
Napoleon bedachte seine erstaunliche Frau mit einem stummen Kop fnicken, das nachdenkliche Zustimmung bedeutete. Sie war so klug. Er würde das Tor zum Orient aufstoßen, um seine persönliche Ruhmeshalle zu errichten. Er würde ein Heer von Wissenschaftlern, Künstlern, Schreibern und Malern in Gang setzen, um von seinen Ruhmestaten zu künden. Und wenn ganz nebenbei seine Liebe zu dieser überaus bewundernswerten Frau gestärkt werden würde, nun, umso besser.
Marie-Josèphe-Rose Tascher de la Pagerie, verheiratete Bonaparte, genannt Joséphine streckte sich jetzt wohlig unter dem Seidentuch, sah wie ihr Mann sich innerlich entspannte und war ebenfalls zufrieden. Aber aus ganz anderen Gründen.
Was sie Bonaparte verschwiegen hatte, war, dass die weise Frau in Wahrheit eine Voodoo-Zauberin war. Die schwarzhäutige H ohepriesterin dieser magischen Religion stammte wie sie selbst von Les Iles du Vent, aus Martinique, und doch bewirkte sie bei Joséphine nach all den Jahren ihrer Bekanntschaft immer noch eine Gänsehaut. Niemand wusste, wie alt die greise Euphémie war. Und obgleich es nicht an Geschichten mangelte, konnte sich auch niemand verlässlich an ihre Herkunft erinnern. Vielleicht, weil sie so alt war, dass es keine Zeit-genossen mehr gab? Ob jedoch Euphémie nun eine entlaufene Sklavin oder eine wiedergeborene afrikanische Prinzessin war, sie kannte sich bestens in der hohen Kunst des Zukunftsdeutens aus. Nicht zuletzt, weil sie ihren Vorhersagen mit der Kraft des Voodoo hin und wieder die gewünschte Richtung verlieh. In ihrem persönlichen Fall hatte die Alte jedenfalls bislang ganze Arbeit geleistet.
Joséphine hatte den Kerker der "bürgerlichen Köpfer" und Ketzer überlebt, obwohl sie auf der Liste für die nächste freie Guillotine gestanden hatte. Und auch ihre erste – von Euphémie vor Jahren korrekt als unglücklich prophezeite - Ehe mit Alexandre war durch seine Hinrichtung beendet worden. Wie tief die gebrechliche Voodoo-Zauberin in die grausame Beendung ihrer ersten Ehe verstrickt war, wollte Joséphine lieber nicht wissen. Eugène und Hortense aber, ihre lieben Kinder, hatten die schrecklichen Ereignisse endlich verkraftet und waren bei guter Gesundheit. Ihr selbst boten sich prächtige Perspektiven. Der aufstrebende Ehemann bedeutete finanzielle Sicherheit, Ansehen und Schutz. Außerdem war Barras ihr nun einen Gefallen schuldig. Für die andere Seite ihrer coups d'amour musste sie nur die schon oft bewährte mädchenhafte Rose agieren lassen. Ihr inneres Kind!
Joséphine dachte an die zweite wichtige Zukunftsschau der weisen Schwarzen: Ihre Aussichten waren doch wahrhaft königlich. Nein, besser noch! Sie würde eines Tages Kaiserin sein. Denn so lautete die Weissagung. Bisher gab es nicht den geringsten Grund, an Euphémies Worten zu zweifeln.
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