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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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Dafür, dass das Leben zurückkehrte? Dafür, dass alles anders war? Fremd! Bedrohlich!
    In einem plötzlichen Aufwallen frischen Mutes beschloss sie, die R abenvögel als gutes Omen zu deuten. Federmanns Manuskripte bewiesen, dass sie sich am richtigen Ort befand. Kautskys Tod trübte ihren Triumph beträchtlich. Aber sie war ehrlich genug, sich einzugestehen, dass er sie dennoch niemals würde aufhalten können. Dann war der stechende Schmerz wieder da. Mit aller Kraft ignorierte sie die Eiszapfen, die in ihre Brüste stachen, aber ihre Lippen formten ein stummes Gebet.
    Der Krähenschwarm formierte sich neu, und die schwarzen Vögel kreisten über der Lichtung, die mehr ein Kahlschlag war, als suchten sie nach einer geeigneten Stelle zum Einfa llen. 
    " Hier gibt's nichts mehr zu holen!", rief Daria und fuchtelte mit den Armen, bis der Träger ihres Kleides riss. Der hauchdünne Partyfetzen hatte nur noch Lumpenwert und Daria fröstelte.
    »Ja« , sagte Stimmchen, »im Moment bist du mehr eine Vogelscheuche als alles andere.«
    Aber Überleben war keine Frage der Aufmachung. Sie hatte sich schon mehr als einmal an den eigenen Haaren aus dem Sumpf gez ogen. Sie wusste, was zu tun war. Dann hörte sie Stimmen und drehte sich zur Ruine der Villa Aurora um.
    Domnall und Caldera führten die Schar der Höhlenmenschen an. Die beiden Männer, die rein äußerlich nicht unterschiedlicher hätten sein können, sahen weniger krank und geschwächt aus als die übrigen. Vie lleicht lag es daran, dass sie mehr Erfahrung im Umgang mit menschlichen Katastrophen hatten. Jeder auf seine Art. Virginia Gluth hatte Daria einen kurzen Überblick von Calderas Vorleben gegeben, als sie sich bei der energischen Rothaarigen für ihre Unterstützung in Sachen Blutspende bedankt hatte. Sie waren über den Zufallsfund ins Gespräch gekommen und fanden schnell Sympathie füreinander.
    Im fahlen Licht der letzten Kerzen hatte Daria Delfonte kurz vor Kautskys Tod eine Entdeckung gemacht, die sie von einem Augenblick zum anderen ihre Umgebung und die schrecklichen Ereignisse hatte vergessen lassen.
    Die Tropfsteinlanze, mit der sie Raboux außer Gefecht gesetzt hatte, die Überreste eines einst zwei Meter langen Säulentropfsteins, lag ze rbrochen am Boden. Sie war der Länge nach in zwei Teile gesplissen und hatte einen dritten, inneren Teil, freigegeben. Daria wog das Bruchstück des Kalksteins in der Hand. Er hatte die Größe und Form eines Rinderhorns. Sie suchte sich einen kleineren Stein in der Form eines steinzeitlichen Faustkeils als Werkzeug und begann behutsam, an dem zylindrischen Stein zu schaben. Da der Faustkeil in Jahrhunderten Schicht um Schicht aus unendlich vielen Kalkablagerungen gewachsen war, taugte er als Werkzeug nicht besonders. Daria vermutete, dass die Steinzeitmenschen Tropfsteine benutzt hatten, um Felle zu walken. Aber als Instrument waren die Zapfen- und Säulensteine zu brüchig. Unverdrossen kratzte sie weiter und löste Bröckchen um Bröckchen und Krümel um Krümel der obersten Kalkschicht.
    Wenn man einen Tropfstein sauber durchteilt, werden manchmal Ja hresringe wie bei Bäumen sichtbar. Diese Ringe waren zeitlich nur schwer zuzuordnen, da sie weit weniger als Bäume saisonabhängigen Wetterwechseln unterlagen. Dennoch ließen sich grobe Zeiträume bestimmen. Außerdem wurden die einzelnen Kalkschichten nach innen hin dunkler und bröckeliger.
    " Was machst du da?", fragte Pater O'Dom, der mit angezogenen Beinen am nackten Fels gegenüber lehnte, seinen Pullover über die Knie gezogen und sich mit seinen kräftigen, langen Armen eng umschlungen hatte, um sich selbst zu wärmen.
    Abwiegelnd hob Daria eine Hand. "Nur eine Sekunde...", murmelte sie und schabte unaufhörlich Schicht um Schicht ab, bis sie nach ungefähr drei Millimetern auf einen harten Widerstand stieß. Wenn sie auch keine Geologin war, so hatte sie doch an der durchscheinenden Struktur des Steins sofort erkannt, dass dieser Stalagmit kein gewöhnlicher Säulentropfstein sein konnte. Die Forscherin rückte näher ans flackernde Kerzenlicht und begann, die gesamte Flanke des Steines freizulegen.
    Dom O 'Domhnaill, der ihr mit leicht wiegendem Kopf über die Schulter guckte, sagte: "Ich will gar nicht drängen, und ich weiß natürlich, dass ein Chirurg immer in Übung bleiben muss. Aber wenn dieses Fingerspiel deine Art ist, eine gute Archäologin zu bleiben, dann ist die Wahl des Zeitpunkts nicht gerade glücklich oder ehm, na ja, eigentlich

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