Die Maya-Midgard-Mission
und Wehe der Aureolen entscheiden. Davon war sie seit der Lektüre von Federmanns Schriftrolle überzeugt. Sie musste ihre Arbeit tun, und sie musste sie verdammt noch mal gründlich tun. Der Rechtsgelehrte und Seher hatte es gesagt: "Mit den Strahlen der Sechsten Sonne erreichen Euch das Wissen und die Weisheit all jener Leben vom Anbeginn der Zeiten. Ihr aber taucht in Ihr Licht, weil ihr es seht, wenn Dunkelheit herrscht, damit es hell leuchte." Die Bücher der Sechsten Sonne bedeuteten mehr als das nackte Überleben. Für einen Moment träumte Daria Delfonte den Traum einer Utopie, dann glitt ihr Geist in die Wirklichkeit zurück.
" Caldera, wir sollten uns ein Bild von der Zerstörung am Strand machen. Wollen Sie mich begleiten?"
" Es ist mir ein Vergnügen, Gnädigste!"
So leicht gab Raboux jedoch nicht auf. "Woher nehmen Sie die Dreistigkeit, sich als beschissener Oberguru aufzuspielen?", giftete der französische Weinbauer. "Ich lasse mir von niemand nichts vorschreiben. Ist das klar? Wir müssen unseren eigenen Hintern in Sicherheit bringen. Jeder von uns. Also machen Sie den Weg frei. Ich geh jetzt zu dem beknackten Kahn. Wer mit will, soll meinetwegen mit. Ich zwinge niemanden, auf diesem kaputten Erdhaufen hier zu bleiben. Aber aufhalten wird mich auch keiner. Sie schon gar nicht."
" Wunderbar", sagte Daria. "Bevor ihr geht, haben Sie eine ungefähre Ahnung, wie es mit Vorräten aussieht, Yaphet? Ich meine, Konserven, Reste von Tiefkühlkost, irgendwas, was wir den Leuten zu beißen anbieten können?"
Yaphet Kialu nickte bestätigend und winkte einen pausbackigen Schwarzen herbei, dessen figürlicher Umfang selbst einer fastfoodko ntaminierten Amerikanerin einen verblüfften Blick abgerungen hätte. Sie hatte ihn am Abend der Willkommensparty am Grill gesehen, aber seine Leibesfülle bemerkte sie erst jetzt. Vor allem den Umfang seiner Hände fand sie erstaunlich. Der Mann hätte spielend drei Longdrinks auf seiner ausgestreckten Hand servieren können.
»Wie albern, wie nebensächlich« , schimpfte Stimmchen.
Mein Gott, es schien, als seien seit der Mondscheinfeier Wochen ve rgangen.
" Ich Name bin Hippolyte, M'am", sagte der Dicke in bestem Pidgin. "Hippolyte Cook. Ich Koch. Mich Freund von Brontë, welch Frau die singen kann und Dreck machen rein. Wir nicht haben mehr Essen kein nichts. Ich ohne Abbeit."
" Hippolyte Cook", wiederholte Daria nachdenklich. "Sind Sie sicher, dass es keinerlei Vorräte mehr gibt. Ich meine, die Villa Aurora war doch ein Hotel. Ihr müsst doch Lebensmittel gelagert haben, um die Gäste zu versorgen? Irgendwo muss sich doch noch was auftreiben lassen."
" Sicher aber nich, M'am. Sich auftreiben nix lassen nirgends und viel lassen überall."
Caldera grinste Daria breit an und machte sich zusammen mit Raboux und Wolf Martens auf den Weg zum Strand.
" Er meint, dass er noch keinen Überblick über die aktuelle Lage hat", sagte Pater O'Dom, der Pidgin-Englisch von seiner Zeit in Australien kannte.
" Tiefe Truhe nicht mehr elektrisch kalt und kaputte Blechdosen unter kaputtem Haus kaputt", erläuterte Hippolyte. "Ich Koch kann kochen Wald mit Höhlewasser und viel Leute satt."
Daria runzelte fragend ihre Augenbrauen. "Wald kochen und Höhlewasser? Ist das ein Synonym für Holzhacken, Feuermachen und Wassersuppe schlürfen?"
Domnall O 'Domhnaills Bass ertönte und sein Lachen erfüllte Daria ebenfalls mit Heiterkeit. Hippolyte Cook stimmte mit ein. Seine apfelrunden Pausbacken hüpften mit dem Zopf des Paters um die Wette. Es flirrte eine beinahe absurde Fröhlichkeit durch die Luft. Das Leben ging weiter. Doch der Priester zerstörte den Zauber.
" Hat Kautsky dir nichts von den Gloriolas erzählt, diesen Wunderbäumen? Hippolyte meint, dass er aus Wasser und Gloriolenlaub eine schmackhafte Suppe zubereiten kann, die unseren Hunger fürs erste stillen wird."
Der Koch nickte begeistert. "Alles viel vom Baum zum Beißen Cook kann kochen: Wu'zzel, Schössling, Blatt, Rinde, Ma'kk. Alles das. Jetzt und später lange lang bis ohne Bäume bracher Wald ist nix."
" Wunderbar, Hippolyte. Mir läuft schon das Wasser im Munde zusammen. Unser Ernährungsproblem scheint gelöst", sagte Daria. Und tatsächlich verspürte sie ein gelindes Knurren ihres Magens. Seit Tagen hatte sie nichts außer ein paar Früchten und Wasser zu sich genommen.
" Daria!", sagte der Pater und ergriff Darias Hand. "Ich denke, wir sollten anfangen, unser Leben hier fest in die Hand zu nehmen..."
Weitere Kostenlose Bücher