Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
Vom Netzwerk:
er bei der Auswahl unserer Speisen genauso viel Fantasie walten lässt, wie bei der Auswahl seiner Küchengeräte, dann steht uns ein delikates Festmahl ins Haus. Er hat nämlich den kupfernen Blumenkübel von der ehemaligen Veranda als Suppenkessel genommen und verwendet einen Golfschläger unseres geschätzten Monsieur Raboux' – Eisen Neun, glaube ich – als Rührlöffel."
    Die Aureolen lächelten sich an, ein bisschen gequält zwar, aber i mmerhin. Auch Daria Delfonte witterte das Absinken des Spannungspegels. Was immer sie persönlich für Probleme mit Dom haben mochte, er konnte Heiterkeit versprühen wie kein anderer Priester, den sie kannte. Obwohl sie eigentlich gar keinen anderen kannte. Aber in ihrer Vorstellungswelt hatte ein Priester soviel mit Humor zu schaffen, wie ein homo habilis mit Hostien. Oder war das schon wieder ein gotteslästerliches Vorurteil? Noch ehe sich Stimmchen über den Verlust der natürlichen Grazie Darias lustig machen konnte, meldete sich die Stimme der Zivilisation.
    Das Telefon klingelte.                              
     
     
    ***

3 2 BRÜDER IM GEISTE
    DEUTSCHLAND, KÖNIGREICH WESTFALEN, KASSEL, 24. Februar 1810
     
    Helle Flammen schlugen aus den Fensteröffnungen: So brutal drosch die Hitze auf die gezackten Scherben geborstener Scheiben ein, dass große Tropfen geschmolzenen Glases wie kristallenes Blut zu Boden fielen. Dem deutschgesinnten Betrachter der Feuersbrunst mochte es scheinen, als haben sich Höllenschlünde aufgetan, um Jérôme Bonaparte, der von seinem Bruder Napoleon als König von Westfalen eingesetzt wurde und dem der Volksmund ob seiner Lebensfreude den Namen "König Lustik" verliehen hatte, mit feurigem Atem aus dem Schloss des rechtmäßigen Kurfürsten Wilhelm hinwegzufegen.
    Mit Bücherkisten beladene Diener stapften und stolperten zwischen der Brandstätte und einem nahegelegenen Pferdestall hin und her. Freilaufende Pferde stoben erschrocken vom Qualm und Funkenflug in alle Himmelsrichtungen davon. Ameisengleich hastete ein Heer von Helfern kreuz und quer über den Hof des Schlosses. Gebrüllte Anwe isungen und Schmerzenschreie durchschnitten die rauchgeschwängerte Luft, allerorts verzerrte Gesichter: schweißnass, erhitzt, rußgeschwärzt.
    Ein junger Mann, den sein energisch vorgestrecktes Kinn ebenso wie der kühne Schwung einer hohen Stirn und ein gewisser Ausdruck der Askese im markanten Gesicht reifer wirken ließen, als er an Jahren zählte, mühte sich eigenhändig einen Stoß besonders wertvoller Schri ften vor den Flammen zu retten. Doch der Grad seiner Verzweiflung war größer als die Kraft seiner Arme; eher hager als schlank und eher klein- denn großgewachsen, so schwankte er wie eine Pappel im Wind unter einer viel zu hoch aufgetürmten Bürde von Manuskripten und Büchern. Schließlich geriet auch er ins Stolpern und fiel hin. Was konnte dem Privatbibliothekaren des Königs Schlimmeres widerfahren, als ein Brand des ihm anvertrauten Schatzes oder ein Missgeschick bei dessen Rettung? Doch Jacob Grimm verzog keine Miene. Das Schicksal spielte ihm nicht zum ersten Mal einen bösen Streich. Er hatte gelernt, mit Umsicht auf Tiefpunkte zu reagieren, weil man diese nur so zu Wendepunkten umgestalten konnte. Und deshalb war es nicht weiter verwunderlich, dass dem ernsten, jungen Mann inmitten der verstreuten Schriften zu Fuße der brennenden Bibliothek und ausgerechnet am 24. Geburtstag seines Bruders, Wilhelm, ein unscheinbares, in braungegerbtes Leder eingebundenes Buch ins Auge fiel, das sein Leben und das des Bruders für ein halbes Jahrhundert begleiten und bereichern würde. Das Buch trug den Titel: ' Von Den Reisen Des Rechtsgelehrten Havaristen Eitel Melchior Federmann Und Dem Volk Der Kabkin Welches Ihn Und Seinen Gefährten Manolito So Löblich Aufnahm Und Bewirtete. '
    Jacob Grimm wusste nicht wieso, aber er steckte das Buch unter se inen schweren Wollmantel und trug es nach Hause, um dort in Ruhe eine Abschrift anzufertigen. Am Abend suchte er das Studierzimmer von Wilhelm auf.
    Der begrüßte ihn freudig: "Hallo, Bruder! Hast du in alten Manuskripten gestöbert, sie vom Spinnweb und dem Staub der Jahre befreit, oder bist du etwa unter die Kaminkehrer gegangen?"
    Jacob Grimm hob die Hand. "Wenn ich dich in deiner Fröhlichkeit bremsen darf, Wilhelm, aber der Anlass für mein Aussehen stimmt wenig froh. Die Bibliothek, ja beinahe das gesamte Schloss ist abgebrannt. Zum Glück konnte ich die meisten

Weitere Kostenlose Bücher