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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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Bücher retten und Menschen sind auch nicht zu Schaden gekommen. Doch sag, was ist der Grund für deine Fröhlichkeit?"
    Wilhelms Gesicht war von weicheren Zügen als das seines um ein Jahr älteren Bruders. Und als nun ein verschmitztes L achen sein Gesicht überzog, hätte man meinen können, er sei verliebt und habe soeben das Ja-Wort seiner Angebeteten bekommen. "Heute ist mein Geburtstag, Bruder. Ist das etwa kein Grund, lustig zu sein? Und außerdem habe ich Post." Wilhelm wedelte mit einem dicken Packen Briefen.
    Clemens Brentano und Achim von Arnim konnte Jacob als Absender auf den beiden obersten Umschlägen entziffern.
    "Hier ist noch ein Brief von Bettina – sie und Arnim wollen im nächsten Jahr heiraten –, und einer von Jenny Droste-Hülshoff. Aber es sind nicht nur Glückwünsche, die sie alle mir senden. Nein, es sind die Abschriften von über einem Dutzend neuer Märchen und Sagen für unsere Sammlung, herrliche, poetische Geschichten, Jacob, du musst sie lesen. Achim meint, wir müssten unsere Sammlung veröffentlichen. Und Bettina bestürmt mich schon seit zwei Jahren damit. Ich glaube, sie haben Recht: Übergeben wir unseren Schatz dem Staunen der Menschen und man wird endlich erkennen, dass auf den alten Zeiten der Völker der erste Glanz der Sonne und das Morgenrot gelegen hat."
    " Apropos Morgenrot", meinte Jacob, der sich ob der poetischen Begeisterung seines Bruders den Anflug eines Lächelns nicht verkneifen konnte. "Ich habe auch ein Geschenk für dich; die Abschrift eines erstaunlichen Büchleins, das der neunzigjährige Melchior Federmann vor über zweihundert Jahren verfasst hat. Es enthält auch ein Märchen, aber noch viel mehr als das." Jacob holte tief Luft und stieß sie mit einem Stoßseufzer wieder aus. "Es ist, wie soll ich sagen... Ich habe es gelesen und glaubte, den Saft unwahrscheinlicher Pflanzen geschlürft zu haben oder einen Extrakt jener Blumen, welche Vögel fangen und verschlingen. Ich... ach, ich... Lass mich ein paar Sätze nur zitieren: »Der Kobold der Träume erwacht in der Seele und spinnt das Garn der Geschichten: Da war das ruhende All. Kein Hauch. Kein Laut. Reglos und schweigend die Welt. Und des Himmels Raum war leer.« Nun, lies selbst, wie es weitergeht, Wilhelm, und meine allerherzlichsten Glückwünsche."
    Wilhelm nahm sein Geschenk, die Briefe der Freunde und verzog sich in seine Studierklause, um sich alsbald in die Lektüre des Federman nschen Abenteuers zu vertiefen. Es dauerte nicht lange, und er griff zur Feder, um sich Notizen zu machen. Zwei Stunden später klopfte er an Jacobs Tür.
    " Bist du noch wach, Bruder?"
    " Komm herein, Wilhelm, ich habe auf dich gewartet."
    Wilhelm trat ein und fand seinen Bruder hinter einem Berg von M anuskripten, alten Schriften und dickleibigen Büchern über einen Brief auf einem freien Fleckchen seines Schreibtischs gebeugt.
    " Wem schreibst du?"
    " Das erzähle ich dir später, Wilhelm. Lass uns zuerst über die Inseln Aurora sprechen. Was hältst du von der 'Morgenröte'?"
    Wilhelm setzte sich auf einen Hocker und zögerte nicht einen Auge nblick. "Ich halte das Buch für eines der bedeutendsten Zeugnisse einer fremden Kultur, das mir je in deutscher Zunge dahergekommen ist. Manchmal stutzte ich und glaubte, Federmann zitiere aus dem Buch der Bücher. Doch dann wieder sah ich, dass dies die Bibel der Kabkin-Indianer ist. Wenn wir die enthaltenen Sagen auch nicht für unsere Sammlung deutscher Märchen verwenden können, so scheint mir doch, dass diese Bücher der Sechsten Sonne, von denen Federmann so leidenschaftlich schwärmt und die er ständig zitiert, ein wahres Füllhorn an Weisheit, Lebenserfahrung und Poesie sind. Wenn es nicht so unmöglich schiene, ich würde alles versuchen, diese Bücherschätze in unseren Besitz zu bringen. Deine nächste Reise sollte dich nicht nach Paris, sondern auf die Auroren führen, Bruder."
    " Mit dem Gedanken habe ich gespielt, Wilhelm. Aber dann kam mir eine bessere Idee. Ich bin dabei, einen Brief an Alexander von Humboldt zu verfassen. Ich lernte ihn in Paris kennen und war beeindruckt von der Fülle seiner Erlebnisse auf einer Reise durch Südamerika. Vielleicht plant er ja, wieder einmal nach diesem Teil der Erde aufzubrechen. Ich gedenke jedenfalls, ihm von Aurora und Federmanns Erzählungen zu berichten. Willst du mir helfen?"
    " Ja, sicher. Und lass uns noch eine zweite Abschrift anfertigen. Dann könnten wir einen weiteren Menschen mit dieser Blume der Poesie

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