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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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Decke hatten stark unter dem Unwetter gelitten. Durch die Gewalt der vom Sturm aufgewirbelten Gegenstände war das Tropenholz durchlöchert wie nach heftigem Schrapnellbeschuss.
    Die alte Dame, die sie vor dem Piano im nicht minder verwüsteten Wohnzimmer empfing, sah nicht viel besser aus. Ihr Gesicht war von den tiefen Falten eines bewegten Lebens gefurcht. Trotz der unübe rsehbaren Spuren hielt sie sich aufrecht wie ein Gardeoffizier. Ihre blauen Augen musterten Daria streng. Eine Hand hatte sie in die Hüften gestemmt. Gewandet in ein eigentümliches Kleid aus buntem Flickenstoff, eine bordeauxrote Leinenweste und verblichene, braune Lederstiefel, warf sie sich dabei dermaßen in Positur, dass das zigeunerhafte Äußere gegen ihr herrisches Gehabe verblasste. Auf ihrem Kopf trug sie ein ausladendes, schwarzes Barett. Zwar fehlte die Kokarde, dennoch war Daria angesichts des insgesamt ehrfurchtheischenden Eindrucks versucht zu salutieren. Sie verkniff sich diese Geste nur mit Mühe. 
    " Ich bedanke mich für die Audienz, Ms. Mortenson. Wie ich hörte, hatte mein leider, ehm, mein verstorbener Freund und Finançiers, William Kautsky bereits das Vergnügen, Ihnen unsere Arbeit kurz vorzustellen..."
    Die alte Dame deutete mit der Rechten auf ein betagtes Kanapee mit einem fadenscheinigen, rosengeblümten Chintzbezug und ließ sich selbst zuerst darauf nieder. "So vergnügt erschien er mir gar nicht, der Unglückliche, vor allem als er unverrichteter Dinge wieder abziehen musste", sagte sie mit breitem amerikanischen Akzent.
    " Seither ist viel geschehen, Ms..."
    " Jaja, Kindchen, die Welt ist untergegangen, ich habs noch mitgekriegt. Aber du jagst deinen Schätzen weiter hinterher. Weshalb sollte ich meine Meinung ändern?"
    Eine derart direkte Attacke hatte Daria nicht erwartet und entschloss sich zu einem Gege nschlag. "Warum, Ms. Mortenson? Warum wollen Sie der Welt diese einzigartige Chance vorenthalten? Warum gestatten Sie mir nicht, dieses Geheimnis zu lüften? Ich bin sicher, dass ich die Bücher der Sechsten Sonne auf Ihren Inseln bergen kann. Tatsächlich habe ich durch einen Zufall bereits Manuskripte auf Aurora gefunden, die meine These bestätigen. Ich bin sicher, dass..."
    " Oh, ja, Kindchen, ja doch, da bin ich auch sicher. Aber würdest du deinen Fund auch verkraften?"
    Daria fixierte ihre Gegenspielerin mit ihrem Röntgenblick, unerbit tlich, wie sie fand. Ms. M. ertrug den Bannstrahl der grünen Augen regungslos wie ein Reptil. Daria konnte keine offene Antipathie wie etwa bei Guillaume Raboux verspüren, aber sie hatte schon gemütlichere Teestunden verbracht. Unruhig rutschte sie auf dem zerschlissenen Kanapee hin und her.
    " Wir können natürlich ewig so dasitzen, Ma'am. Aber leider ist unsere Zeit begrenzt. Wir müssen nach Aurora aufbrechen. In Sicherheit. Kommen Sie nicht mit?"
    " Oh, Kindchen, Himmel, nein, welch absurder Gedanke. Ich geh hier nicht mehr weg. Alte Bäume soll man nicht verpflanzen. Aber du, du hast mehr Zeit, als du ahnst. Alle Zeit dieser Welt. Und der nächsten, und der übernächsten..."
    " Sie lieben es, geheimnisvoll zu tun, Ms. Mortenson. Dabei könnte ich wetten, dass Sie die wahre Bedeutung der Bücher der Sechsten Sonne nicht kennen oder zumindest falsch einschätzen. Wenn Sie sich ernstlich mit der nächsten und der übernächsten Welt auseinandersetzen, und mit der Möglichkeit, dass es folglich eine oder mehrere Wiedergeburten gibt, mit der Konsequenz, dass lineare Zeitabläufe von der Logik her unmöglich werden, dann können Sie mir doch die Suche nicht verwehren, dann müssen Sie sich doch um die Zukunft des Hier und Jetzt sorgen. Dann können Sie doch nicht seelenruhig auf ihrem Sofa hocken und zuschauen, wie die Welt zugrunde geht, ohne dass uns, den Überlebenden, die Chance zur Rettung, eben die Botschaft dieser Bücher übermittelt wird."
    " Oh, Kindchen, das war klug gesprochen. Sehr scharfsinnig, sehr überzeugend, sehr gefühlvoll: Der schönste Haufen gequirlte Scheiße seit langem. Wie willst du meine Zweifel zerstreuen, dass du die Erwählte bist? Vielleicht packe ich aus, vielleicht nicht. Vielleicht rede ich nur, wenn du dich los lässt. Mit Akademikergeschwafel, Diplomatengelaber, Intellektuellengebrabbel und Politikergewäsch kannst du meine Erinnerungslücken nicht schließen. Da krieg ich Ausschlag von. Und Ausschlag ist gut für mein Alzheimer. Ich halts dann mit den drei Affen. Seh nichts, hör nichts, ..."
    Daria Delfonte blendete sich aus

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