Die Maya-Midgard-Mission
große Mann mit dem länglichen Gesicht und der hervorsteche nden Adlernase verbeugte sich lange und tief. Sein weißes Haar berührte beinahe den Boden. Und doch wohnte dieser Geste äußerster Demut eine mühsam verhohlene Arroganz inne. Die äußerliche Würde stand in ständigem Widerstreit mit innerlich überkochenden Gefühlen. Nur an den Augen des Admirals ließ sich sein furchtbarer Zwiespalt ablesen. In ihnen brannte ein helles Feuer.
Die Königin ließ nicht erkennen, ob sie um die Zerrissenheit ihres Gegenübers wusste. "Erhebt Euer Haupt, Admiral. Wir sind neugierig, den Grund Eurer Geheimniskrämerei zu erfahren. War es wirklich notwendig, Uns außerhalb der Euch gewährten Audienz zu bemühen? Haben Wir nicht Euch und Eurem Bruder großzügig Gerechtigkeit widerfahren lassen? Haben Wir Euch nicht versichert, Euch in alle Rechte wieder einzusetzen? Sind wir Euch in aller Vergangenheit nicht stets großmütig begegnet? Sprecht Admiral, Unsere Zeit ist knapp bemessen!"
Der Angesprochene wollte aufbrausen, dem Zorn ob seiner beschni ttenen Rechte und seiner beschädigten Ehre freien Lauf lassen: ganz zu schweigen von seiner schwer gekränkten Eitelkeit und den verletzten Gefühlen. Die durch Bobadilla erlittene Erniedrigung seiner Inhaftierung und die Schmach, in Ketten gelegt über das Meer, dessen Admiral er war, nach Spanien verfrachtet worden zu sein, war auch viele Wochen nach den schändlichen Geschehnissen nicht leichter zu ertragen. Dazu kam die Suspendierung als Statthalter der Indischen Lande, die auch alle noch so schönen Worte von König Ferdinand nur notdürftig hatten verbrämen können. Christoph Kolumbus wusste, dass er die längste Zeit Vizekönig, Admiral des Weltmeeres und Statthalter der Indischen Lande im Auftrag der Katholischen Könige gewesen war. Sicher: Die Titel würden ihm bleiben, Gelder würde er besitzen in Hülle und Fülle, vielleicht ein königliches Lehen gar. Aber um sein Ansehen war es geschehen. Sein Lebenswerk würden andere vollenden. De facto wurden nach seinen Informationen schon neue Expeditionen unter neuen Befehlshabern gerüstet: Männer, die nicht einen Bruchteil seiner Kühnheit besaßen noch von Gottes Gnaden gesandt waren, würden seine Früchte ernten. Don Christóbal Colón – der Bringer Christi und Neubesiedler, wie Christoforo Colombo sich zu nennen pflegte – wähnte sich schon wieder auf dem Weg zum schlichten Wollweber seiner genuesischen Herkunft: Doch er war nicht gewillt, solche Herabsetzung widerstandslos zu akzeptieren. Seine über viele Jahre hinweg erworbenen seemännischen Kenntnisse und Fähigkeiten, sein persönlicher Mut, die Größe und Bedeutung seiner Entdeckungen und schließlich und endlich seine religiösen Überzeugungen, die schon mehrmals Bestätigung durch göttliche Visionen erleben durften, ließen einfach nicht zu, dass ihm derartiges widerfahren sollte. Er musste sich wehren. Und er würde sich wehren. Kolumbus wusste, dass göttliche Vorsehung ihm als vornehmste Charaktereigenschaft die Hartnäckigkeit verliehen hatte, damit er sie einsetze, um seine Ziele zu Seinem Ruhme zu erreichen. So war es sein ganzes Leben lang gewesen. Und so würde es auch diesmal wieder sein.
Kolumbus warf einen Blick auf die schne ebedeckten Gipfel der Sierra Nevada. Zu seinen Füßen lag im Tal und an die Hänge geschmiegt die Stadt Granada. Zusammen mit der Königin stand er auf einem abgelegenen Wall am Rande der bunt blühenden Gärten und unzähligen Brunnen des Königsschlosses. Die Alhambra, diese filigrane von Maurenhand geschaffene Burg, prangte wie ein Adlerhorst an einem der Hügel über der Stadt und war erst vor wenigen Jahren von König Ferdinand erobert worden. Die trutzige Macht der Alhambra hatte Kolumbus schon damals geärgert; denn er hatte sich mit seiner ersten Indienfahrt gedulden müssen, bis der Kampf mit den Nasriden erfolgreich ausgefochten war. Dieses Mal kämpfte er selbst auf der Alhambra. Um seine Zukunft nämlich. Doch die Pracht der Bauten – die lichten Säulengänge, die verschnörkelten Brunnen, die gewaltigen Kuppeln, Gewölbe und Hallen – die wahrhaft königliche Architektur konnte ihn nicht einschüchtern. Und für die Naturschönheiten hatte Kolumbus ohnehin keinen Sinn. Was er bemerkt hatte, war, dass die Königin ihn nicht aufforderte, sich niederzulassen.
Königin Isabella war von jeher seine einflussreichste und geneigteste Gönnerin. Er durfte sie nicht verärgern. Ihr musste er vortragen, wie
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