Die Maya-Midgard-Mission
er gedachte, seine entwerteten Rechte zurück zu erwerben und die eingebüßte Ehre wieder herzustellen. Mit Ausbrüchen des Zorns war es nicht getan. Behutsam musste er seine Sätze formen. Und überzeugend musste sein Vortrag sein. In seiner Bedrängnis waren ihm einige beinahe schon vergessene Briefe eingefallen. Auszüge daraus wollte er seiner Königin vorlesen. Gerade noch rechtzeitig besann er sich der am Hofe von Granada wie an allen Königshöfen geltenden Etikette und zügelte sein Temperament mit einer erneuten Geste der Demut.
" Ich danke Eurer Majestät für die großzügig gewährte Gunst, mich anzuhören. Ich habe ein Anliegen größter Dringlichkeit vorzutragen." Das war, wie schon das Datum der Briefe – der letzte datierte vom 19. März 1481 – erkennen ließ, gelogen. "Ich bin in Besitz mehrerer Briefe des großen Astronomen, Kosmographen, Mathematikers und Arztes Paolo del Pozzo Toscanelli. Wenn Ihr erlaubt, Majestät, möchte ich Euch einige Sätze verlesen."
Königin Isabella bedachte Kolumbus mit e inem unergründlichen Blick. Dann ließ sie sich im Schatten eines Drachenbaumes auf einer Marmorbank nieder. Ihre Geste war eindeutig.
Kolumbus begann mit einem Bericht, der in Konsequenz sein Leben endgültig zum Sche itern verurteilen sollte:
»Lieber Christoforo,
Ich habe Kenntnis genommen von Deinem hochherzigen und großartigen Plan, auf dem Wege nach Westen, den die Dir gesandte Karte anzeigt, zu den Ländern des Ostens zu segeln... Es freut mich, dass Du mich richtig verstanden hast. Die genannte Reise ist nicht nur möglich, sondern wahr und sicher und ehrenvoll, und sie vermag unberechenbaren Gewinn und höchsten Ruhm in der ganzen Christenheit zu bringen.«
Kolumbus unterbrach die Lesung und wagte es, der Monarchin tief in die Augen zu blicken. "Ihr wisst, Majestät, dass ich zu Eurem und Gottes Ruhm gehandelt habe. Die Karte des Toscanelli war mir von großer Hilfe. Aber ich habe noch mehr getan, um Eurer Katholischen Majestät zu Ehren die Mission dem Erfolg zuzuführen: Von Kind an habe ich mein seemännisches Können geschult. Wissenschaftler und Geographen habe ich befragt, Seekarten studiert, Reiseberichte gelesen, meine nautischen Fähigkeiten beständig verbessert. Ich habe mich mit Gottes Hilfe der modernsten technischen Neuerungen bedient: Ich benutzte den Kompass zur Richtungsweisung auf hoher See und das Astrolabium, den Jakobstab sowie den Quadranten zur Höhenbestimmung des Polarsterns und zur Feststellung der Mittagshöhe der Sonne. Ich habe die Schriften des Ptolemäus durch meine eigenen Erfahrungen ergänzt. Nur so konnte ich den richtigen Kurs in die Indischen Lande finden. Und nur so wurde es möglich, dass heute Hunderte Schiffe in einem jeden Jahre des Herrn in die Neue Welt aufbrechen. Schließlich wurde ich dank der Gnade Eurer Katholischen Majestäten in die Lage versetzt, über neue, verbesserte Schiffstypen wie die Karavelle zu verfügen. Dieses Schiff ist wendig, schnell, stabil. Mit seiner Hilfe gelang es mir, meine Erfahrungen umzusetzen, zum Erfolg zu gelangen..."
" Admiral, ich bitte Euch, kommt zur Sache", sagte die Königin kurz angebunden, was ansonsten nicht ihrer Art entsprach.
" Nun, Eure Majestät, bis zu seinem Tode habe ich mit Signore Toscanelli korrespondiert: Und ich wage zu behaupten, dass er mir viel mehr als nur den möglichen Seeweg nach Indien vermacht hat. Hier drin", Kolumbus wedelte mit einem vergilbten Brief, "hier drin befindet sich das geheime Vermächtnis des Marco Polo. Dieser berühmte Kaufmann und Reisende gibt seinen Nachkommen Ratschläge, Wegbeschreibungen und mannigfache Verhaltenshinweise, wenn sie in den Ländern des Ostens Handel treiben wollen. Ihr kennt sicher sein Werk, das meine Landsleute Il Milione nennen: die phantastischen Berichte von der Insel Cipangu, die Verlockungen der Östlichen Lande Ciamba und Mangi; Seide, Brokat, goldbedeckte Paläste – die Wunder der Welt: Mirabilia Mundi. Aber Marco Polo hat diesem Buch nicht sein ganzes Wissen anvertraut. Wie Ihr wisst, hat er es einem Mitgefangenen in genuesischer Haft diktiert. Und einiges verschwiegen. Später hat er die geheimen Kapitel aus seinen Notizen zusammengestellt, aber nie veröffentlicht. Darin beschreibt Marco Polo den Weg zu dem Schatz der sieben Sonnen. Toscanelli ist in Besitz dieser Geheim-Schriften gelangt und hat sie mir nach seinem Tode überlassen, weil er an meine Mission glaubte. Zu Recht, wie ich in aller Bescheidenheit anmerken
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