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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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Schlucke, und den einen oder anderen Bissen, um wieder zusammenzuführen, was zusammengehört." Dann begann er mit einem so offensichtlichen Genuss zu speisen, dass sogar der ehemalige Kartäuser More für einen Augenblick die selbstauferlegte Mäßigung vergaß, und bedächtig an einem Hühnerbein zu nagen und an einem Gläschen Wein zu nippen begann.
    Seine Frau bedachte das seltene Schauspiel mit einem beifälligen N icken. Gedankenverloren betrachtete sie ihren Gast, den Freund ihres Gatten, diese akademische Leuchte des Jahrhunderts und fragte sich, ob sie jemals eine ähnliche Sympathie für den eigenbrötlerischen Junggesellen und Geistesriesen empfinden würde, wie ihr Mann das offenbar tat.
    " Was für einen schönen neuen Ring du trägst, Erasmus", sagte sie in versöhnlichem Tonfall. "Hat er eine Bedeutung über seine Schönheit hinaus?"
    " Ein Geschenk", knurrte Erasmus zwischen zwei Bissen und spülte mit einem großen Schluck Wein hinterher.
    Lady Alice beschloss, die Männer ihren geistigen Welten zu überla ssen: Die Kinder mussten zu Bett, und in der Küche sah es aus wie nach einem Gelage von trinkfesten Themseschiffern. Es war der freie Abend der Küchenmädchen. Aber eine Frau und Mutter hatte nie frei. Daran hatten alle noch so geistreichen Dispute der gelehrten Herren über die Jahrhunderte hinweg nicht das Geringste geändert – und würden es auch in Zukunft nicht. Sie war auf das Ergebnis der Erziehung der Mädchen gespannt. Thomas war mit ihr der Meinung, dass Töchter wie Söhne nur die besten Lehrer verdienten. Die Besten aber waren männlich; denn bislang war es Frauen schier unmöglich, einen den Männern vergleichbaren Stand der Bildung zu erlangen. Die beiden Margarets würden die ersten Mädchen Englands sein, die eine humanistische Ausbildung erworben hätten. Insgeheim hoffte Lady Alice, dass es Frauen wie ihre Töchter sein würden, die Männern wie dem Erasmus von Rotterdam ein wenig mehr Ehrfurcht vor dem anderen Geschlecht einflößten. Seufzend wusch sie sich die Hände in einer Schüssel mit frischem Wasser und fragte sich, ob Thomas heute Abend noch Gelegenheit zum gemeinsamen Musizieren finden würde.
    In der Studierstube hatten die Männer ihr Mahl beendet.
    "Ich soll dir Grüße von meinem Freund, Peter Gillis, ausrichten", sagte Erasmus. "Er schwärmte immer noch von dir, begeistert, deine Bekanntschaft gemacht zu haben."
    " Dito!", sagte Thomas More. "Die angenehmste Erfahrung meiner ganzen Reise nach Flandern war meine persönliche Begegnung mit Peter Gillis aus Antwerpen; seine Gelehrtheit, sein Verstand, seine Bescheidenheit, seine natürliche Freundlichkeit sind so… mein Gott, ich wäre glücklich, einen guten Teil meiner Güter für den Erwerb der Freundschaft dieses einen Mannes zu geben. Wie viele Menschen von Bedeutung und Geist ich in seinem gastlichen Hause kennenlernte…"
    Erasmus lachte. "Mit deiner allseits gerühmten Sachlichkeit verhält es sich wohl ähnlich wie mit meiner angeblichen Blutarmut: Beide Eigenschaften werden unseren Biographen noch schwer zu schaffen machen. Aber es ist wahr; in Peters Haus trifft man auf die erstaunlichsten Zeitgenossen. Neulich hatte ich das Vergnügen, einen Geographen kennen zu lernen, Hans Leuwen, der behauptet zur Mannschaft eines gewissen Kolumbus gehört zu haben, der wiederum die Terra Nova entdeckt haben will."
    Thomas More hob seine Augenbrauen. "Ich dachte, dieses zweifelhafte Verdienst schriebe man dem Amerigo Vespucci zu."
    " Weshalb zweifelhaft? Und wieso Vespucci? Kolumbus war es, der den Seeweg nach der Neuen Welt entdeckte. Das habe ich von Leuwen gelernt. Dieser ebenso mutige wie besessene Mann muss mit einem wahrhaft göttlichen Sendungsbewusstsein behaftet sein. So stark muss sein Drang, der Welt von seiner christlichen Botschaft zu künden, gewesen sein, dass er sich freiwillig von seinem Kapitän auf einer einsamen Insel hat aussetzen lassen, nur um den armen, gottlosen, eingeborenen Heiden seine Art von Erleuchtung zuteil werden zu lassen. Bitte, Thomas, stelle dir vor: Der von göttlicher Missionslust beseelte Geograph Leuwen, den ein spanischer Westindienfahrer dann später aufgelesen und zurück in unsere Terra Antiqua getragen hat, war mit großer Wahrscheinlichkeit der erste europäische Mensch, den diese Insulaner zu Gesicht bekamen – ein wahrer Homo antiquus. Ich frage mich, wie sie nun von uns denken?"
    " Zweifelhaft, dass sie uns wohlgesonnen sind", meinte Thomas More. "Mir sind schon

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