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Die Maya-Midgard-Mission

Die Maya-Midgard-Mission

Titel: Die Maya-Midgard-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Sieberichs
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eine Flucht, als für eine Verlängerung der hiesigen Nöte verwenden. Habe ich nicht recht, Master Smith?"
    " Wohin willst du uns führen?", knurrte der Küfer missmutig.
    Die Leute hingen nun alle gespannt an van Ukkels Lippen. Neugier und Überlebenswille waren schon immer stärker als der kälteste Winter und selbst aufrechte Empörung.
    Utz van Ukkel war ein Flame; ein Mann von mäßigem Temperament und maßvollen Plänen. Er war nie ein großer Redner gewesen, noch hatte er den Ehrgeiz, die Massen mit seiner Redekunst zu begeistern. Sein ganzes Streben galt dem geschriebenen Wort. Aber die in ihrer Schlichtheit überzeugende Geschichte eines Sterbenden hatte ihn so gefesselt, derart aufgerüttelt, dass er nun die Gelegenheit, sie zu verbreiten, einfach nutzen musste. "Erinnert ihr euch an den Schiffbrüchigen, den der Kapitän vor Hispaniola an Bord nahm? Nein? Nun: Ihr wart zu sehr mit euch selbst und der See beschäftigt. Aber ich erinnere mich. An jedes einzelne Wort, das der Sterbende sagte. Ich habe sie alle aufgeschrieben. Der Mann war Spanier, Maat auf einer spanischen Galeone, die vor einigen Jahren von Walter Raleigh aufgebracht wurde. Im Eifer des Gefechts ist dieser Mann über Bord gegangen. Ein leeres Fass, so hat er mir berichtet, diente ihm als Rettungsfloß. Launische Westwinde trieben ihn an eine fremde Küste. Seine Leiden fanden ein jähes Ende; denn die Insel, an deren Strand die Fluten ihn gespült hatten, war von üppigem Grün. Tagein tagaus, das ganze Jahr über ward sie von der Sonne reich beschienen, und eine Quelle gab süßestes Wasser für die zahlreichen Pflanzen und Tiere. Der Spanier wähnte sich im Paradies. Die gebratenen Tauben flogen ihm von alleine in den Mund. Alles, was dieser Mann tun musste, war, seine Hände aufzuhalten und zu essen. Er musste der Natur nichts abringen. Sie beschenkte ihn reich, mit all ihren Gaben, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Ich sage euch, dieser Ort ist ideal für Menschen, die keine Bauern sein wollen. Der Wildreichtum dieser sagenhaften Insel war nach Auskunft des Spaniers von derartiger Dichte, dass man sich den Sonntags-Braten mit bloßer Hand fangen konnte. Und man konnte es ungestört tun."
    " Warum ist dein Spanier von diesem himmlischen Ort abgehauen?", brummte Calvin Smith. "Haben die Indianer ihm vielleicht seinen katholischen Hintern versengt?"
    " Der Mann war einsam", sagte Utz van Ukkel schlicht. "Aber wir sind es nicht. Wir haben Familien, Verwandte, Freunde, Kinder. Wir können zusammenhalten und uns gemeinsam auf den Weg in eine bessere Zukunft machen. Ich weiß, dass dieser Weg beschwerlich wird. Aber ich weiß auch, wo er endet. Wir müssen ein Meer der Tränen und Berge der Pein überwinden, wir müssen mehr denn je lernen, Brücken zu bauen; aber am Ziel winkt uns reicher Lohn, ein sorgenfreies Leben ohne Kälte, ohne Hunger und ohne feindlich gesonnene Wilde. Fragt den Zimmermann, wie lange wir brauchen, uns ein Boot zu bauen. Gott gab uns den Verstand. Und Er hat uns alle Mittel gegeben, unser Paradies zu erreichen. Wenn wir es nicht tun, ist es unsere eigene Schuld. Ich sage euch, unser nächster Winter auf den östlichen Inseln wird ein nie endender Sommer sein."
     
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    ENGLAND, PLYMOUTH, 15. Dezember 1591
     
    Sehr verehrter Sir Walter,
    am 17. August 1591 betrat ich als Mitglied einer Expedition Ihrer K öniglichen Majestät die Insel Roanoke am Albermarle Sund vor der Küste Virginias. Zu meinem großen Erstaunen war sie menschenleer. Auch nach einer gründlichen Suche fanden wir nicht mehr als siebenunddreißig Gräber und fünfzehn völlig verfallene oder auch abgebrannte Hütten, deren Reste zudem noch von kundiger Hand abgebaut zu sein schienen. Irgendwelche Werkzeuge, Geräte, Ackerkulturen oder sonstige Spuren menschlicher Besiedelung ließen sich nirgends entdecken. Es war, als sei die Insel Roanoke nie bewohnt gewesen. Von den verabredeten Zeichen bei zwangsweiser Vertreibung der Siedler oder Krieg mit den Eingeborenen fanden wir ebenfalls keine Spur. Der einzige Gegenstand, der außer den Gräbern auf menschliches Tun hinweist, ist diesem Schreiben beigefügt: ein Stück Holz, auf dem das Wort 'Morgenrot' eingeritzt ist. Ich weiß nichts mit ihm anzufangen. Vielleicht ist Euch, Sir Walter, größere Weisheit als mir beschieden.
    Gott schütze die Königin
    Euer ergebener
    John

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