Die Maya-Midgard-Mission
durch die dicksten Woll- und Pelzmäntel, und fand zu allem Überfluss auch noch Unterstützung durch vom Norden her einfallende Schneestürme. Den Siedlern fehlte es an beinahe allem, um den Herausforderungen der Neuen Welt erfolgreich die Stirn zu bieten: Warme Kleidung war ebenso knapp wie Brennholz, Nahrung und Know-how.
" Wir sind keine Soldaten!", grölte Calvin Smith erneut, und sein Atemhauch durchschnitt wie eine Salve winziger Eiszapfen die Luft im Blockhaus, die trotz der Wärme eines gusseisernen Ofens und zweiundfünfzig erregter Menschen eisig kalt im Raume hing.
" Recht hat er", hörte man allenthalben zustimmendes Gemurmel.
" Wir könnten uns gar nicht wehren", meinte der Schiffszimmermann Bob Gunn in seiner nüchternen Art. "Selbst wenn wir wollten. Unsere Pulvervorräte sind aufgebraucht."
" Wir hätten keine Chance gegen die Pfeile und Speere der Indianer", rief der junge Slater, und seine Stimme schien zu beben, vor kaum verhohlener Wut. Vielleicht war es auch nur die Kälte. "Wir sind so Wenige und sie so zahlreich. Nicht einmal flüchten können wir; denn mit ihren Kanus hätten sie uns bald schon eingeholt."
Sally, Slaters Frau, wusste, dass blanke Angst, nicht Zorn noch Minu stemperatur ihren Mann zittern ließ. "Ohne die Hilfe der Indianer hätten wir unseren ersten Winter kaum überlebt", sagte sie mit leiser aber so fester Stimme, dass das Gejohle und Gekeife der Männer nach und nach verstummte. "Sie sind Krieger. Doch sie sind auch Bauern. Sie wissen, wie man Felder bestellt, Brot backt und Fleisch haltbar macht, wo man essbare Beeren oder Wurzeln findet. Sie konnten auch ohne Blockhäuser und Musketen überleben. Sie haben ihre Zeit nicht mit Baumfällen und wochenlangen ergebnislosen Jagdpartien vergeudet; sie wissen wie man Fallen stellt und Felle gerbt; und nur deshalb müssen ihre Kinder heute nicht frieren; und nur deshalb müssen sie kein schimmeliges Mehl und durch Maden und Würmer verdorbenes Trockenfleisch essen. Dass sie mit uns teilten, war großzügig aber längst nicht selbstverständlich. Schließlich habt ihr ihnen nichts weiter geboten als Glasperlen und Scheinheiligkeit. Billiger Tand und bigotte Worte: das ist alles, was wir wohlfeil halten. Dass diese Indianer, die nicht einmal Christenmenschen sind, wie wir es zu sein behaupten, nicht länger mit uns teilen mögen, weil sie nun an ihr eigenes Wohl denken müssen, ich kann es verstehen..."
" Gotteslästerliches Weib. Bringt sie zum Schweigen", schnaufte Calvin Smith und wälzte seinen fetten Leib vom Tisch auf Sally Slater zu.
" Indianer-Flittchen!", brüllten einige.
" Schlange!", zischten andere.
" Verfluchte Hexe!", spuckten die Giftigsten.
Die Kinder mit ihrem untrüglichen Gespür für aufkeimende Spa nnungen, begannen zu weinen.
" Leute, Leute!", rief Norman Redneck, aber seine Stimme klang weniger beruhigend denn ohnmächtig. Niemand schenkte ihm Beachtung. Die Leute hörten einfach auf, ihn als Anführer zu betrachten. Und das hatte seinen guten Grund: Norman Redneck hatte niemals Anführer sein wollen. Die Besiedelung der Insel Roanoke am Sund von Albermarle wurde von Sir Walter Raleigh, dem Dichter, Höfling, Freibeuter und Leibwächter der Königin betrieben. Doch die brauchte ihren erprobten Kämpfer in England, um die Heimat gegen die spanische Armada zu verteidigen. Deshalb hatte Raleigh die Siedler der Obhut des Landvermessers und Kartenzeichners John White anvertraut. Ein hervorragender Mann – auf seinem Gebiet –, leider mit ähnlichen Schwächen wie Redneck selbst: Er hatte kein Gespür für schwierige Situationen, kein Talent zur Menschenführung und noch weniger Geschick im Organisieren. So fehlte es den Siedlern an lebenswichtigen Waren, als sie nach rauer Überfahrt endlich die Insel Roanoke erreichten. Als John White mit dem Versprechen nach England aufbrach, mit ausreichenden Vorräten nach Roanoke zurückzukehren, hatte er 113 Leute unter Norman Rednecks Führung zurückgelassen. Das war vor über zwei Jahren gewesen. Nur Gott allein und die Königin, die angesichts der spanischen Bedrohung keine Überseepassagen erlaubte, wussten, warum ihnen niemand zur Hilfe kam. Mittlerweile war die Gemeinde der Siedler auf fünfundsiebzig Seelen dezimiert worden. Der Schwung und das Vertrauen der ersten Monate war einer allgemeinen Verbitterung gewichen. Und Redneck konnte die Leute verstehen.
Die Stimmung im Versammlungshaus auf der kleinen Insel vor der Küste Virginias roch nach
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