Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maya Priesterin

Die Maya Priesterin

Titel: Die Maya Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
Bücherprieste r vo n de r Seit e z u ihm empor . Erleichterun g malt e sic h i n seine m Gesich t . Abe r auch Befremden über den weißen Mann, den er so sehr verehrte und s o weni g verstan d .
    »Lie s weiter« , befah l Di e g o wieder . »Ich glaube, allmählich fang e ic h a n z u verstehen , wi e dies e Schrif t gefüg t ist .«
    »Mi t de r Schrif t de s Gesetze s werde n di e allgemeine n Gesetze niedergeschrieben . Di e Gebot e de r Götter , wi e ihne n z u opfern sei . Ihre Verbote zu lügen, zu stehlen und zu morden. Di e Schrift de s Gesetze s wir d i n Stein e gemeißelt , di e ma n au f de n Plätzen inmitten der Städte und Dörfer aufstellt, damit alle Schriftkundigen mit eigenen Augen lesen, was das Gesetz befiehl t . Und wie es jenen ergeht, die es zu brechen wagen. Weh e ihnen .«
    Un d weh e mir , dacht e Dieg o . Die Zeichen verschwammen vo r seine n Auge n . Sei n Kop f began n z u schmerze n . I n Wahrheit hatt e e r noc h imme r nich t di e mindest e Ahnung , wi e diese Schrift funktioniert e . Niemals würde er hier ein Schriftstück aufspür e n , da s fü r sein e Plän e i n Frag e ka m . E s se i denn , Julkin la s ih m sämtlich e Büche r au s alle n Krüge n vo r . Tausende Faltbüche r i n eine m Uina l .
    »Daneben gibt es noch eine dritte Schrift. Di e Schrif t des Kalender s un d de r Rechenkuns t . Ma n sagt , da ß dies e Schri f t entstanden sei, indem sich die Schrift des Gesetzes verwandelt e . Wi e di e Schrif t de s Gesetze s ihrerseit s entstand , inde m sic h die Schrift des Wahren Lichtes verwandelt e . Deshal b lasse n sich viele Texte auf drei Arten lesen. Al s Botschaf t de s Wahren Lich t es , wen n ma n z u de n Berufene n zähl t . A n Verkündun g oder Auslegun g de s Gesetzes . Und als mathematische Berechnung oder Bestimmung eines Kalenderdatum s .
    Denn alle drei Schriften bestehen aus den gleichen Zeichen.
    Diese aber bedeuten in jeder Schrift etwas g ä nzlic h andere s als in den beiden anderen Schriften. Al s wär e ei n un d derselbe Mensc h zugleic h Knabe , Man n un d Greis . Ungestüm , umsichtig un d weise . Täppisch , tapfe r un d hinterlistig . Unschuldig, wollüsti g un d gefei t . Oder als wäre ein und derselbe Mensch z ugleic h lebendig , to t un d wiede r erwach t . I n de r Mayawelt , in Xibalb á und im Vorhimmel der Väter.
    Abe r siehe , dies e Gleichzeitigkei t is t ebensoseh r Wahrhei t wie Schein . Alles dreht sich beständig im Kreis. Eine s folg t au f das andere , fü r di e einzeln e Seele . Alles geschieht gleichzeitig, von den Göttern aus gesehen. S o is t e s auc h mi t de n Schriften . Wer all e dre i lese n kann , versteh t .«
    Ingrimmig sah Diego auf die bunten Zeiche n . »Dre i Schriften also? « E r knurrt e es . »Drei Bedeutungen in einem Text? Satz für Satz , Zeiche n fü r Zeichen? « E r spran g auf . Julki n starrt e ih n an, offenba r nicht s begreifen d . »Wa s d u ebe n vorgelese n hast, Julki n - i n welche r Schrif t wa r da s verfaßt?«
    Julkin räusperte sic h . »Nun , e s is t ei n Schulbuch , wi e gesagt . Das Gleichnis der Schr i fte n is t woh l hauptsächlic h zu Übungszwecken aufgeführ t . I n einfache n Worten , di e sich häufi g wiederhole n . D a s o wenig e verschieden e Zeichen verwende t werden , erkenne n di e Novize n schnell , wi e die Schrif t funktioniert . Di e Schriften , besse r gesag t . In Wir k lichkei t sin d e s natürlic h seh r vie l meh r al s dre i .« Er lächelte . »S o wi e natürlic h jede s Wesen , jede s Din g seh r viel meh r al s dre i Bedeutunge n hat . Verzeiht, wenn ich Euch mit Allerweltsweisheite n langweile .«
    »D u langweils t mic h keinesweg s .« Dieg o fuh r s i ch mit der Zung e übe r di e Lippe n . Machte sich dieser kleine Gelehrte vielleich t lusti g übe r ihn ? Jede r ihre r Text e lie ß sic h auf unzählig e Arte n lesen ? Sei n Kop f dröhnte . Aber er würde nicht aufgebe n . »Sehe n wi r un s als o di e einzelne n Zeiche n nähe r a n . Ei n e ausgezeichnete Idee.«
    E r kehrt e z u seine m Scheme l zurück . Abermal s vertieft e er sich in das Teufelsbuc h . Blättert e vo r un d zurück . Götterköpfe. Kriege r i m Profil . Stilisierte Mutterbrüste. Ein Priester mit vasenförmige m Schäde l . Dann wieder ein Gewirr a u s Punkten, Linien, wirres Gekrake l . Schließlich deutete er auf eine beliebig e Zeile . »Diese beiden Gly p hen , wa s bedeute n sie?«
    Di e erst e Glyph e stellt e de n Kop f eine s junge n Manne s im Profi l dar .

Weitere Kostenlose Bücher