Die Maya Priesterin
Stirnwan d de s Saals . Von de n Risse n i m Mauerwer k wa r nicht s meh r z u sehe n . Selbs t die Schäde n i m Gemäld e ware n a u sgebesser t worde n . Kein Abgrund klaffte mehr zwischen den Götterhimmeln und der Menschenwelt . Un d Kukulkán s Kop f sa ß wiede r fes t au f seinem Hal s . Wi e tröstlich , dacht e Diego , vielleich t auc h fü r mic h . Schließlic h ha t de r Cane k soebe n geruht , mic h al s sein e n göttlichen Vater anzuspreche n . Kukulkán, der einst in Menschengestal t au f Erde n wandelte . Hochgewachsen, bärtig, mi t weiße r Hau t . S o zumindes t Julkin .
»Ic h dank e de n Göttern , da ß si e Euc h nac h Tayasa l gesandt habe n .« De r Cane k sprac h mi t matte r Stimme . » Un d ic h danke Euch , mei n väterliche r Freun d .«
Ei n Raune n gin g durc h di e Versammlun g . Diego spürte, wie de r Hoheprieste r nebe n ih m erstarrte . Mei n väterliche r Freund . E r verbeugt e sic h vo r de m König . Wenige r tie f neigt e e r sein Haup t vo r de m Lahki n . Di e ob e rsten Priester beschied er mit eine m Kopfnicke n . Dan n schrit t e r au s de m Saa l . Ohn e ein weitere s Wort . Und ohne zu warten, bis der Lahkin die Versammlung beendete. Mein väterlicher Freund. E s wa r der recht e Moment , u m de m Hoheprieste r z u zeigen , da ß e r se i ner Mach t nich t unterworfe n war . Sonder n de n Götter n allei n .
»Erlöse r de r Maya ! Seh t nur , wi e wei ß sein e Hau t ist! Göttlich e Lichtgestal t - wi e eins t Kukulkán!«
Endlich setzten sich seine Wächter wieder in Bewegun g . Die Meng e wic h zurüc k un d macht e ein e Ga ss e fre i . Plötzlic h ging es ganz rasc h . Scho n stande n si e a m Fu ß de r Bücherpyramide . Er sah nach obe n . Au f halbe r Höh e wartet e Julkin . Mit leuchtenden Auge n . Dieg o erwidert e sei n Lächeln , au f einmal wiede r tie f verwirrt .
E r sieh t au s wi e de r Fremd e i n mein em Trau m . Ixkukuls Traumgeliebte r . Mei n andere s Ich , hinte r de m jadegrünen Spiege l . Mit seinen Händen habe ich sie liebkos t . Mi t seiner Hau t ihr e Berührun g gefühlt . Abe r e s kan n un d kan n doc h nicht sei n .
Wi e i m Trau m tappt e e r di e Stufe n empor . Julki n küß t e seine Han d . Diesmal ließ er es geschehe n . I n meine m Trau m wa r ich du , ei n junge r May a . Un d i m Trau m de s Canek ? Ei n weißer Gott . E r wandt e sic h u m . Der heilige Plat z . Di e trunken e Meng e . Tausend e jubelte n ih m z u . Ringsum dehnte und türmte sich, bis z u all en Horizonten, Tayasa l .
Er erschrak. Ihm war, als hätte er sich selbst verloren, für immer , zwische n Trau m un d Satanswahn .
7
»Am Anfang der Zeiten schenkten die Götter den Maya die erste Schrift. Di e Eingeweihte n nenne n dies e Schrif t auc h das Wahr e Lich t . Si e lese n si e i m Dunkeln , i n geheime n Räumen . Viel e heilig e Büche r wurde n sei t Anbegin n de r Zeite n i n der Schrift des Wahren Lichtes verfaßt .«
Sei t Stunde n scho n saße n si e a m Tisc h i m Tempe l de r inneren Pyramide . Der oberste Pferdegottpriester und der jun g e Bücherpriester .
Schulte r a n Schulte r übe r ei n Faltbuc h gebeugt , da s Julki n für di e erste n Lektione n ausgewähl t hatte . Der kleine Schriftgelehrt e glüht e förmlic h vo r Eife r . Mit heller, ein wenig heise r klingende r Stimm e la s e r au s de m Foliante n vor .
Zeil e u m Zeil e fuh r Julkin s Zeigefinge r unte r de n farbigen Zeiche n entlan g . Z u Diego s Erstaune n schriebe n auc h di e Maya i n waagrechte n Zeile n vo n link s nac h rechts . Wobe i sie allerding s Zeiche n verwendeten , di e mi t abendländischen Lettern keinerlei Ähnlichkeit hatte n . Ehe r mi t de m Gekritzel eine s fiebernde n Port r a i teurs. Bildniss e vo n verblüffender Wirklichkeitsnäh e schiene n wahllo s vermeng t mi t Tupfen, Schlangenlinien, Krakeln. S o seh r sic h de r Pate r auc h bemühte, e r konnt e keinerle i Syste m i n diese r Schrif t e n tdecke n . Geschweige denn, einen Zusammenhang zwischen dem Chaos de r Zeiche n vo r ih m un d Julkin s Rede , di e gleichmäßi g strömte .
»Würde n di e Büche r de s Wahre n Lichte s au s de m Dunkel hervorgezogen , s o müßte n di e Mensche n a n ihre m Glanz erblinden . Denn die Schrift der Uralten leuchtet von selbst, wen n ei n Kundige r si e lese n will . Un d si e verbrenn t di e Augen derer, die unberufen danach greifen.«
»Da s alle s steh t au f diese m Blatt? « Dieg o seufzte . »Ich f ü rchte , ic h begreif
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