Die Maya Priesterin
Wen n ic h e s rech t verstehe , müsse n wi r herausfinden , wan n er geboren wurde und wann der ihm liebste Mensch zur Welt gek omme n is t . De r Mensch , de r ih m bestimm t ist , wi e e s dort heißt .« Julki n nickte . Er öffnete den Mund, aber Diego ließ ihn nich t z u Wor t komme n . »Wan n e r Abschie d nimmt , is t klar . Heute . Ebens o de r Ta g seine r Wiederkehr . Dreiundzwanzig Welten , dre i u ndzwanzi g Tag e .« E r hiel t inne . In Gedanken rechnete er nac h . »Wi e sonderbar , Julkin . Heut e is t Vie r Cabá n . Der Tag, an dem Ahau und Ixquic gemeinsam regiere n . Der Sonnengot t al s Regen t de r Zahl , di e Mondgötti n al s Herrscherin übe r de n Tzolkinta g . Und an Eins Ahau sol l de r Todgeweihte wiederkehre n . Dann regieren wiederum Sonnengott und Mondgöttin . Nur diesmal Ahau als Herrscher des Tzo l k intages un d Ixqui c al s Regenti n de r Zah l .«
E r grübelt e darübe r nac h . Gedankenverlore n gin g e r au f und ab . Fall s sic h di e Forme l de r Wiederkehr wahrhaftig als wirksa m erwies , würd e i n Tayasa l nicht s meh r sein , wi e e s in de n letzte n vierhunder t Jahre n wa r . De r Lahkin , dacht e Diego, würde gar nicht anders können, als die Forderung zu erfüllen, fü r di e e r Chacbala m nu n opfer n ließ . Di e ob erste Priesterin Ixquic s würd e forta n di e gleich e Mach t un d da s gleich e Ansehen genieße n wi e de r Lahkin , i m Ran g eine r Hohepriesterin . Das uralt e Buc h sprac h de r Mondgötti n ebensovie l Bedeutun g wie de m Sonnengot t zu , wen n nich t soga r meh r .
Fü r eine n Momen t empfan d e r einfac h Freude . Wi e herrlich, da ß wi r dies e Botschaf t entdeck t haben , dacht e er . Wie wunderbar für I x k ukul , wen n e s di e Zei t ihre r schmachvollen Unterdrückun g beendete . Wa s fü r ei n Erwache n würd e da s sein, fü r ih r ganze s Volk , au s Jahrhundert e währender Erstarrun g . Au s Angs t un d Düsterkeit . Al s reg e sic h unversehen s neues Leben hinter den steinernen Fassade n . Neue Hoffnung, neue Liebe . Abe r ach , dacht e e r dann , nich t fü r mic h .
»Bitt e hör t doch , Herr .«
Er sah um sic h . Vor ihm stand Julkin, ein B l att Bastpapier in de r Han d .
»Wi e seh r Ih r rech t habt , werte r Her r . Di e Stunde n eilen dahin . Abe r di e Zahlen , di e Ih r erwähntet , ic h hab e si e scho n .«
De r Bücherprieste r reicht e ih m da s Blat t Papie r . Diego blinzelte . Zuerst mochte er seinen Augen kaum traue n . Abe r da stan d e s wirklich , i n Julkin s akkurate r Schrift : *
Unheimlich , dacht e Dieg o . Julki n ha t wahrhafti g soga r die gregorianische n Kalenderdate n notiert . E r is t wirklic h besessen vo n mir . Wei t unheimliche r war , wi e sic h sei n Argwoh n nun bestätigte . Julkin versuchte nicht einmal mehr zu verbergen, daß e r mi t Ixkuku l verbündet , i n ihre n Pla n eingeweih t war . Ein metaphysische s Komplot t zu r Rettun g de s Zwillingsbruders . Nu r ein e de r fün f heilige n Zahle n fehl t noch , dacht e de r Pater . Wiede r überlie f ih n ei n Fröstel n . Mein Geburtsdatum, umgerechne t i n de n heilige n Tzolkin . Wen n si e dies e Zahl kennen , könne n si e Chacbalam s Seel e i n meine n Lei b lenke n . Wi e de n Bal l i n da s heilig e Zie l .
Jetz t ers t sa h e r auf . Da s Blat t i n seine r Han d zitterte . »Wie komms t d u gerad e au f Chacbalam?«
»Gester n erwähnte t Ih r de n Namen , Herr .«
»Un d d u hattes t ih n noc h ni e gehör t . Heute weißt du schon, da ß e r Ixkukul s Brude r ist .«
Julki n sa h ih n a n . Seine Miene verriet Bestürzun g . »Nein, Herr , ic h wußt e e s nicht . Bi s Itze k au s de m Ve rlies zurückka m . Eine r de r Wächter , di e de r Lahki n gester n vo r Eure n Tempel befah l .« Vertrauensvoll schaute er zum Pferdegottpriester au f .
»Heut e i n alle r Früh e tra t ic h vo r de n Eingan g . Ich wollte ein wenig frische Luft atme n . Ebe n hatt e ic h di e Botschaft entziffer t . Ic h wa r s o erschöpft , Herr , ic h hätt e weine n möge n .
Und so glücklich, daß mir zum Jubeln wa r . Draußen vor dem Tempe l döste n di e Wächter . Ic h überlegte , o b ic h wage n dürfte, Euc h z u wecke n . Die Zeit drängte. Au f einma l fie l mi r der Nam e ein , d e n Ih r gester n erwähn t hattet . Chacbala m . E s war eine Eingebun g . Eine n de r Wächter , ebe n jene n Itzek , kenn e ich rech t gut , au s unsere r Kindhei t . Ich bat ihn, hinüber in das Verlie s de s Lahki n z u
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