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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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habe viermal angerufen und vier verschiedene Personen gesprochen. Wenn diese vier, meine ältesten und besten Freunde, an dieser Verschwörung beteiligt sind, dann werde ich verzweifeln.«
    Michael drückte Yuris schmale Schulter und folgte ihm zum Auto.
    Ein neuer Gedanke kam ihm: Er würde nicht mehr über Rowan und ihre Reaktion auf den Taltos nachdenken, wie er es auf dem ganzen Weg hierher getan hatte, als ein tiefgründiger Besitzerinstinkt ihn fast dazu gebracht hätte, zu verlangen, daß der Wagen anhielt und Yuri sich nach vorn setzte, damit er neben seiner Frau sitzen könnte.
    Nein, dem würde er nicht nachgeben. Er konnte unmöglich wissen, was Rowan dachte oder fühlte, wenn sie diese seltsame Kreatur anschaute. Er mochte seinem genetischen Profil nach ein Hexer sein, vielleicht auch durch irgendein eigentümliches Erbe, von dem er nichts wußte. Aber ein Gedankenleser war er nicht. Und von den ersten Augenblicken ihrer Begegnung mit Ashlar an war ihm klar gewesen, daß Rowan vermutlich keinen Schaden mehr durch den Liebesakt mit dieser Kreatur davontragen würde, denn jetzt, da sie keine Kinder mehr bekommen konnte, konnte sie auch diese schrecklichen Blutungen nicht mehr erleiden, der eine Mayfair nach der anderen Lashers wegen zum Opfer gefallen war.
    Und wenn es Ash nach Rowan gelüstete, so ließ er sich davon – ganz Gentleman – jedenfalls nichts anmerken. Aber schließlich fuhr dieses Wesen ja auch einer weiblichen Artgenossin entgegen, die vielleicht der letzte weibliche Taltos auf der Welt war.
    Und dann, dachte er beim Einsteigen, ist da noch die unmittelbare Überlegung, ob du daneben stehen und zulassen wirst, daß dieser Riese Stuart Gordon ermordet. Du weißt sehr wohl, daß du das nicht kannst. Du kannst nicht zuschauen, wenn jemand ermordet wird. Das ist unmöglich. Ein einziges Mal hast du es getan, und da ging es so schnell wie ein Pistolenschuß, und du hattest kaum Zeit zum Luftholen.
    Natürlich hast du selbst auch dreimal getötet. Und dieser irregeleitete Bastard hier, dieser Wahnsinnige, der behauptet, eine Göttin hinter Schloß und Riegel zu halten, hat Aaron ermordet.
    Sie verließen das Dörfchen, das in der aufziehenden Dunkelheit fast verschwunden war. Wie sanft, wie beherrschbar, wie zahm diese Landschaft war. Zu jeder anderen Zeit hätte er den Wagen anhalten lassen, um ein Stück weit zu Fuß die Straße entlangzugehen.
    Als er sich zur Seite drehte, sah er überrascht, daß Rowan ihn beobachtete. Sie hatte sich selbst umgewandt und ein Bein auf den Sitz gezogen – anscheinend, damit sie ihn besser anschauen konnte. Ihre halbnackten Beine waren natürlich ein prachtvoller Anblick, aber was tat das schon? Sie hatte ihren Rocksaum sittsam heruntergezogen, und man sah lediglich ein modisches Aufblitzen ihres nylonumhüllten Schenkels.
    Er schob seinen Arm über die alte Lederpolsterung und legte ihr seine linke Hand auf die Schulter. Sie ließ es zu und sah ihn ruhig an mit ihren großen, geheimnisvollen grauen Augen; ihr Blick war etwas viel Intimeres als ein Lächeln.
    Im Dorf hatte er sie die ganze Zeit gemieden, und jetzt fragte er sich, warum. Warum? Impulsiv beschloß er, etwas Rohes, Vulgäres zu tun.
    Er beugte sich hinüber, umfaßte ihren Hinterkopf mit der Hand, küßte sie rasch und lehnte sich zurück. Sie hätte ihm ausweichen können, aber sie tat es nicht. Und als ihre Lippen ihn berührten, hatte er einen scharfen kleinen Schmerz gespürt, der jetzt immer intensiver glühte. Ich liebe dich! Guter Gott, noch eine Chance!
    Und kaum war ihm dieser Gedanke in den Sinn gekommen, da wurde ihm klar, daß er überhaupt nicht mit ihr sprach; er sprach mit sich selbst über sie.
    Er lehnte sich zurück, schaute aus dem Fenster und sah zu, wie der dunkle Himmel sich verfestigte und den letzten Rest seines Porzellanglanzes verlor. Er ließ den Kopf zur Seite sinken und schloß die Augen.
    Nichts konnte Rowan daran hindern, sich wie verrückt in dieses Wesen zu verlieben, das ihr keine monströsen Babys mehr abpressen konnte – nichts außer ihrem Ehegelübde und ihrem Willen.
    Und Michael war klar, daß er sich weder des einen noch des anderen sicher war. Vielleicht würde er sich nie wieder sicher sein.
    Nach zwanzig Minuten war alles Licht verschwunden. Die Scheinwerfer bohrten sich in die Dunkelheit, und dies hätte jede beliebige Straße auf der Welt sein können.
    Endlich fing Gordon an, etwas zu sagen. Die nächste Straße rechts, und dann gleich wieder

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