Die Mayfair-Hexen
größter Wunsch erfüllt worden ist.
Michael hatte das Gefühl, daß sie sich zurückziehen sollten – Rowan, Yuri und er; sie sollten die beiden ihrer anrührenden und sanften Vereinigung überlassen. Vielleicht war dies die einzige Umarmung, die sie je miteinander erleben würden. Sie schienen ihre Zuschauer und alles, was vor ihnen lag, vergessen zu haben.
Aber er konnte sich nicht entfernen. Niemand machte Anstalten, sich zu entfernen, und der Tanz ging immer weiter, bis der Rhythmus sich verlangsamte, bis die Instrumente leiser spielten und ankündigten, daß sie sich bald verabschieden würden. Die einander überlagernden Stränge des Kanons verschmolzen letztmals zu einer volltönenden Stimme, ließen dann nach, zogen sich zurück, die Trompete spielte eine letzte wehmütige Note, und dann war Stille.
Das Paar blieb in der Mitte des Raumes stehen, und das Licht flutete über ihre Gesichter und ihr schimmerndes Haar.
Michael lehnte an den Mauersteinen; er konnte sich nicht bewegen, konnte sie nur beobachten.
Solche Musik konnte weh tun. Sie konnte einen an seine Enttäuschungen erinnern, an seine Leere. Sie konnte sagen: So kann das Leben sein. Vergiß das nicht.
Stille.
Ash hob die Hände der Feenkönigin und betrachtete sie aufmerksam. Er küßte ihre aufwärtsgewandten Handflächen und ließ sie wieder los. Und sie stand da und starrte ihn an, als sei sie verliebt, vielleicht nicht in ihn, vielleicht in die Musik und den Tanz und das Licht, in alles. Er führte sie zurück zu ihrem Webstuhl, drängte sie sanft, sich wieder auf ihren Schemel zu setzen, und drehte dann ihren Kopf, so daß ihr Blick wieder auf ihre Arbeit fiel, und als sie ihren Webteppich betrachtete, schien sie zu vergessen, daß er da war. Ihre Finger griffen nach dem Garn, und sie fing gleich an zu arbeiten.
Ash zog sich zurück, behutsam und ohne einen Laut, und dann drehte er sich um und schaute Stuart Gordon an.
Keine Bitte, kein Protest kam von dem alten Mann. Er war auf seinem Stuhl zur Seite gekippt, und sein Blick ging ohne Hast von Ash zu Tessa und wieder zu Ash.
Vielleicht war der schreckliche Moment gekommen. Michael wußte es nicht. Aber irgendeine Geschichte, eine ausführliche Erklärung, ein verzweifelter Bericht würde ihn doch sicher hinausschieben können. Gordon mußte es versuchen. Irgend jemand mußte es versuchen. Irgend etwas mußte passieren, um diesen elenden Menschen zu retten; einfach, weil er einer war, mußte etwas seine drohende Hinrichtung verhindern.
»Ich will die Namen der anderen wissen«, sagte Ash in seiner gewohnt milden Art. »Ich will wissen, wer Ihre Komplizen waren, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Ordens.«
Stuart nahm sich Zeit mit seiner Antwort. Er rührte sich nicht und wandte auch den Blick nicht von Ash. »Nein«, sagte er schließlich. »Diese Namen werde ich Ihnen niemals nennen.«
Es klang so endgültig wie nur irgend etwas. Und in seinem Schmerz schien der Mann für keine Form der Überredung zugänglich zu sein.
Ash ging ruhig auf Gordon zu.
»Warten Sie«, sagte Michael. »Bitte, Ash, warten Sie.«
Ash blieb stehen und sah Michael höflich an.
»Was ist, Michael?« fragte er, als könne er unmöglich ahnen, worum es ging.
»Ash, er soll uns erzählen, was er weiß«, sagte Michael. »Lassen Sie ihn seine Geschichte erzählen!«
17
Alles war verändert. Alles war leichter. Sie lag in Morrigans Armen, und Morrigan lag in ihren, und…
Es war Abend, als sie die Augen öffnete.
Was für ein großartiger Traum das gewesen war. Es war, als seien Gifford und Alicia und die uralte Evelyn bei ihr gewesen, als gebe es weder Tod noch Leiden, und sie waren zusammengewesen und hatten getanzt, ja, getanzt, in einem Kreis.
Sie fühlte sich so gut! Mochte der Traum verblassen, das Gefühl blieb bei ihr. Die Farbe des Himmels war Michaels Violett.
Und da stand Mary Jane vor ihr und sah so verdammt niedlich aus mit ihrem flachsblonden Haar.
»Du bist Alice im Wunderland«, sagte Mona. »Genau. Ich sollte dich Alice nennen.«
Es wird vorzüglich werden, das verspreche ich dir.
»Ich hab das Abendessen gemacht«, sagte Mary Jane. »Du hast hoffentlich nichts dagegen. Als ich die Speisekammer gesehen hab, bin ich verrückt geworden.«
»Natürlich habe ich nichts dagegen«, sagte Mona. »Hilf mir auf. Du bist eine echte Cousine.«
Erfrischt sprang sie auf; sie fühlte sich leicht und frei wie das Baby, das in ihr herumkullerte, das Baby mit den langen roten Haaren,
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