Die Mayfair-Hexen
Schokoladenkirschen auf einmal aufgegessen.« Mona stopfte sich eine Gabel voll Reis nach der anderen in den Mund. So gut konnte keine Schokolade sein. Die Schokokirschen waren zu einer Idee verblaßt. Und jetzt kam das Komischste. Das Weißbrot. Es sah ebenfalls gut aus. »Weißt du, ich glaube, ich brauche komplexe Kohlenhydrate. Das sagt mir mein Baby.«
Es lachte – oder sang es?
Kein Problem. Es war alles so einfach, so natürlich. Sie war in vollkommenem Einklang mit der Welt, und es würde nicht schwierig werden, auch Michael und Rowan in Einklang zu bringen. Sie lehnte sich zurück. Eine Vision hatte von ihr Besitz ergriffen, eine Vision des Himmels, der mit allen sichtbaren Sternen gesprenkelt war. Der Himmel wölbte sich über ihr, schwarz und rein und kalt, die Leute sangen, und die Sterne waren prachtvoll, einfach prachtvoll.
»Was ist das für ein Lied, das du da summst?«
»Psst! Hörst du das?«
Ryan war gekommen. Sie hörte seine Stimme im Eßzimmer. Er sprach mit Eugenia. Wie wunderbar, Ryan zu sehen. Aber er würde auf keinen Fall Mary Jane von hier wegbringen!
Kaum hatte er die Küche betreten, hatte Mona schon Mitleid mit ihm und seinem müden Gesicht. Er trug immer noch seinen dunklen Beerdigungsanzug. Baumwollkrepp sollte er tragen, wie andere Männer um diese Jahreszeit. Sie mochte die Männer in ihren Baumwollkreppanzügen im Sommer, und sie mochte die Alten, die immer noch die Strohhüte trugen.
»Ryan, setz dich zu uns«, sagte sie und kaute einen weiteren mächtigen Mundvoll Reis. »Mary Jane hat ein Festmahl gekocht.«
»Setz dich nur gleich hierher«, sagte Mary Jane und sprang auf. »Ich bringe dir einen Teller, Cousin Ryan.«
»Nein, ich kann nicht, Liebes«, sagte er. Er war ausgesucht höflich zu Mary Jane, denn sie war die Cousine vom Lande. »Ich hab’s eilig. Aber vielen Dank.«
»Ryan hat es immer eilig«, sagte Mona. »Aber bevor du wieder gehst, Ryan, solltest du draußen einen kleinen Spaziergang machen. Es ist einfach wunderschön. Schau dir den Himmel an und hör den Vögeln zu. Und wenn du die süßen Oliven noch nicht gerochen hast, ist jetzt die richtige Zeit dazu.«
»Mona, du stopfst dich mit diesem Reis voll. Wird es etwa diese besondere Sorte Schwangerschaft?«
Sie bemühte sich, keinen Lachkrampf zu kriegen.
»Ryan, setz dich doch hin. Trink ein Glas Wein. Wo ist Eugenia? Eugenia! Haben wir keinen Wein?«
»Ich möchte keinen Wein, Mona. Vielen Dank.« Er winkte ab, als Eugenia für einen Augenblick in der erleuchteten Tür erschien, knorrig, zornig, mißbilligend, und gleich wieder verschwand.
Ryan sah trotz seiner offenkundigen Verdrossenheit sehr gut aus – wie ein Mann, der mit einem großen Tuch von Kopf bis Fuß poliert worden war. Sie fing wieder an zu lachen. Zeit für einen Schluck Milch – nein, trink gleich das ganze Glas aus. Reis und Milch. Kein Wunder, daß die Leute aus Texas beides zusammen aßen.
»Cousin Ryan, es dauert nicht mal ‘ne Sekunde«, sagte Mary Jane. »Ich gebe dir einen Teller.«
»Nein, Mary Jane, vielen Dank. Mona, ich muß dir etwas sagen.«
»Jetzt, beim Essen? Na schön, schieß los. Wie schlimm kann es schon sein?« Mona goß Milch aus der Flasche ins Glas und verschüttete wieder ein bißchen davon auf dem Glastisch. »Nach allem, was schon passiert ist? Weißt du, das Problem bei dieser Familie ist der eingefleischte Konservatismus. Oder ist das ein redundanter Ausdruck? Was meinst du?«
»Miss Piggy«, sagte Ryan stur, »ich wollte mit dir reden.«
»Was gibt’s denn, Big Boy?« sagte Mona. »Schieß schon los. Ich kann’s ertragen.«
»Das weiß ich nicht«, sagte er leise.
Das stürzte sie in einen erneuten Lachanfall. Vielleicht war es auch Ryans ausdruckslose Miene. Mary Jane konnte ebenfalls nicht aufhören zu kichern. Sie stand neben Ryan und preßte sich eine Hand auf den Mund.
»Mona, ich muß los«, sagte er. »Aber oben im großen Schlafzimmer stehen ein paar Kisten mit Papieren. Es sind Sachen, die Rowan haben wollte, Aufzeichnungen aus ihrem letzten Zimmer in Houston.« Er warf einen vielsagenden Blick zu Mary Jane, als wollte er sagen: Sie darf von all dem nichts wissen.
»O ja, Aufzeichnungen«, sagte Mona. »Ich habe gestern abend gehört, daß du davon gesprochen hast. Weißt du, ich habe mal eine komische Geschichte gehört. Als Daphne Du Maurier – du weißt, wer sie war?«
»Ja, Mona.«
»Als Daphne Du Maurier Rebecca schrieb, da war es zunächst ein Experiment, um zu sehen,
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