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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dir einen hole?«
    »Ja, später. Jetzt will ich nach oben in Rowans Zimmer.«
    »Na, laß mich doch erst zu Ende essen«, bat Mary Jane. »Geh nicht ohne mich. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob wir überhaupt das Recht haben, da hinaufzugehen.«
    »Rowan wird nichts dagegen haben. Michael vielleicht schon. Aber, weißt du«, sagte Mona und imitierte Mary Jane. »Das ist egal.«
    Mary Jane wäre vor Lachen fast vom Stuhl gefallen. »Du bist ein schlimmes Kind«, sagte sie. »Also gut. Huhn schmeckt kalt sowieso besser.«
    Und das Fleisch aus dem Meer war weiß, das Fleisch von Krabben und Fischen, von Austern und Muscheln. Ganz weiß. Die Eier der Möwen waren schön, weil sie außen ganz weiß waren, und wenn man sie aufbrach, starrte einen ein großes goldenes Auge an, das in einer glasklaren Flüssigkeit schwamm.
    »Mona?«
    Sie stand immer noch in der Tür zur Geschirrkammer. Sie schloß die Augen und fühlte, wie Mary Jane nach ihrer Hand griff.
    »Nein«, sagte sie mit einem Seufzer. »Es ist wieder weg.« Ihre Hand ging zu ihrem Bauch. Sie legte die gespreizten Finger auf die runde Schwellung und fühlte die winzigen Bewegungen darin. Schöne Morrigan. Haare, so rot wie meine. Ist dein Haar denn so rot, Mama?
    »Kannst du mich nicht sehen?«
    In Mary Janes Augen sehe ich dich.
    »Hey, Mona, ich hol dir einen Stuhl!«
    »Nein, nein, es ist schon okay.« Sie öffnete die Augen. Ein angenehmer Energiestoß durchströmte sie. Sie streckte die Arme aus und rannte durch die Geschirrkammer und das Eßzimmer, den langen Flur hinunter und die Treppe hinauf.
    »Komm schon, gehen wir!« rief sie.
    Es tat so gut zu rennen. Das war eines der Dinge aus der Kindheit, die sie vermißte, und sie hatte es nicht mal gewußt: zu rennen, einfach zu rennen, die ganze St. Charles Avenue hinunter, so schnell sie konnte, mit ausgestreckten Armen. Die Treppe hinaufzurennen, immer zwei Stufen auf einmal. Um den Block zu rennen, um zu sehen, ob man es konnte, ohne anzuhalten, ohne in Ohnmacht zu fallen, ohne sich übergeben zu müssen.
    Mary Jane kam ihr polternd nach.
    Die Schlafzimmertür war geschlossen. Der gute alte Ryan. Wahrscheinlich hatte er abgeschlossen.
    Aber nein. Als sie die Tür öffnete, lag das Zimmer im Dunkeln. Sie suchte den Lichtschalter, und dann ging die Deckenleuchte an und goß ihr helles Licht über das glatte Bett, die Frisierkommode, die Kisten.
    »Was ist das für ein Geruch?« fragte Mary Jane.
    »Du kannst es riechen, nicht wahr?«
    »Natürlich.«
    »Das ist Lashers Geruch«, flüsterte Mona.
    »Im Ernst?«
    »Ja.« Dort standen die braunen Pappkartons aufgestapelt. »Wie findest du ihn, diesen Geruch?«
    »Hmmmm, es riecht gut. Irgendwie möchte man Toffee essen oder Schokolade oder Zimt. Puh. Woher kommt das? Aber… weißt du was?«
    »Was denn?« Mona umkreiste die Kartons.
    »In diesem Zimmer sind Leute gestorben.«
    »Was du nicht sagst. Mary Jane, das kann dir hier jeder erzählen.«
    »Wovon redest du? Von Mary Beth Mayfair und Deirdre und all denen? Davon weiß ich schon. Granny hat’s mir erzählt. Aber hier ist noch jemand gestorben, jemand, der ein bißchen so roch wie er. Riechst du’s? Riechst du die drei Gerüche? Der eine ist seiner. Der zweite ist der Geruch des anderen. Und der dritte ist der Geruch des Todes selbst.«
    Mona stand ganz still da und versuchte es wahrzunehmen, aber für sie schienen sich die drei Düfte zu mischen. Sie fühlte einen scharfen, beinahe köstlichen Schmerz, als sie daran dachte, was Michael ihr erzählt hatte, von dem dünnen Mädchen, das kein Mädchen gewesen war, kein Mensch. Emaleth. Der Schuß explodierte in ihren Ohren. Sie bedeckte sie mit beiden Händen.
    »Was ist los, Mona Mayfair?«
    »Lieber Gott, wo ist das passiert?« Mona hielt sich immer noch die Ohren zu und preßte die Augen zu; als sie sie öffnete, schaute sie nur Mary Jane an, die vor der Lampe stand, eine Schattengestalt mit großen, strahlend blauen Augen.
    Mary Jane blickte sich um, fast ohne den Kopf zu bewegen. Dann ging sie am Bett entlang auf die andere Seite und blieb stehen. Ihre Stimme klang tief, als sie sprach.
    »Hier. Genau hier ist jemand gestorben. Jemand, der roch wie er. Aber es war nicht er.«
    Ein Schrei gellte in Monas Ohren, so laut, so wild, daß er zehnmal so schrecklich klang wie der Pistolenschuß, den sie zu hören geglaubt hatte. Sie drückte die Hände auf den Bauch. Hör auf, Morrigan, hör auf. Ich verspreche dir…
    »Du meine Güte, Mona, wird dir jetzt

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