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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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sein schien. Vielleicht wollte sie nicht wie Michaels Verbündete erscheinen. Ihr schlechtes Gewissen umschwebte sie in letzter Zeit ständig.
    Rowan sah wirklich schön aus, wenn man einmal davon a b sah, daß sie nicht sprach. Ihr Haar war gewachsen und reichte ihr fast bis auf die Schultern. Schön und abwesend. Fort.
    »Weißt du«, sagte Mona, »ich werde wahrscheinlich immer wiederkommen, bis du mir ein Zeichen gibst. Ich weiß, daß mich das nicht von meiner Schuld befreit und daß es deshalb auch noch lange nicht okay ist, einem geschockten, stummen Menschen auf die Nerven zu gehen. Aber wenn du derart stumm bist, dann zwingst du die Leute dazu, etwas zu unternehmen, eine Wahl zu treffen, eine Entscheidung. Ich meine, man kann dich ja nicht einfach allein lassen.«
    Sie atmete aus und merkte, wie sie sich am ganzen Körper entspannte.
    »Ich bin zu jung, um bestimmte Dinge zu wissen«, fuhr sie fort. »Ich meine, ich werde nicht hier sitzen und dir erzählen, ich wüßte, was dir passiert ist. Das wäre zu blöd.« Sie schaute Rowan an; deren Augen sahen jetzt grün aus, als nähmen sie den Ton des hellen Frühlingsrasens an.
    »Aber ich… äh… mich kümmert, was den Leuten so passiert. Na ja, bei fast allen jedenfalls. Ich weiß viel. Ich weiß mehr als irgend jemand außer Michael und Aaron. Erinnerst du dich an Aaron?«
    Das war eine dumme Frage. Natürlich erinnerte Rowan sich an Aaron – wenn sie sich überhaupt an irgend etwas erinnerte.
    »Aber was ich dir sagen wollte: Da gibt es diesen Mann, Yuri. Ich habe dir von ihm erzählt; ich glaube nicht, daß du ihn schon mal gesehen hast. Das heißt, ich bin sicher, daß du ihn noch nicht kennst. Jedenfalls, er ist weg, spurlos verschwu n den, wie es aussieht, und ich mache mir Sorgen. Aaron übr i gens auch. Irgendwie ist alles zum Stillstand gekommen, wo du hier jetzt so im Garten sitzt, und in Wahrheit stehen die Dinge ja niemals still…«
    Sie brach ab. Das war schlimmer als jeder andere Versuch. Mona stützte die Ellbogen auf den Tisch. Langsam blickte sie auf. Sie hätte schwören können, daß Rowan sie angesehen und gerade wieder weggeschaut hatte.
    »Rowan, es ist noch nicht vorbei«, flüsterte sie. Dann schaute sie durch das Eisentor, über den Pool hinweg und auf den vorderen Rasen. Die Myrte dort fing an zu blühen. Sie war ein kahler Strunk gewesen, als Yuri fortgegangen war.
    Flüsternd hatte sie mit ihm dort gestanden, und er hatte g e sagt: »Schau, was immer in Europa passiert, Mona, ich werde hierher zu dir zurückkommen.«
    Rowan schaute sie an. Rowan schaute ihr in die Augen.
    Sie war so verblüfft, daß sie stumm und starr dasaß. Sie wa g te nicht, etwas zu sagen oder sich zu rühren, weil Rowan dann vielleicht wieder wegschauen würde. Sie wollte glauben, daß dies gut sei, daß es Bestätigung und Erlösung war. Sie hatte Rowans Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, obwohl sie eine hoffnungslose Göre war.
    Nach und nach wich die Versunkenheit aus Rowans Miene. Mona starrte sie an. Rowans Gesicht wurde beredt und u n mißverständlich traurig.
    »Was ist, Rowan?« flüsterte Mona.
    Rowan machte ein leises Geräusch, als räuspere sie sich.
    »Es ist nicht Yuri«, flüsterte sie. Das Stirnrunzeln vertiefte sich, der Blick wurde dunkel, aber sie entglitt nicht wieder.
    »Was ist denn, Rowan?« fragte Mona. »Rowan, was hast du über Yuri gesagt?«
    Allem Anschein nach dachte Rowan, sie rede immer noch mit Mona, ohne zu wissen, daß kein Wort aus ihrem Mund kam.
    »Rowan«, flüsterte Mona, »sag’s mir, Rowan…«
    Rowan sah sie immer noch an. Sie hob die rechte Hand und strich sich mit den Fingern das aschblonde Haar zurück. N a türlich, normal – aber die Augen waren nicht normal. Sie kämpften…
    Ein Geräusch lenkte Mona ab. Männerstimmen. Michael und noch jemand. Und dann plötzlich das jähe, beunruhigende Geräusch einer Frau, die lachte oder weinte. Mona konnte nicht genau sagen, was es war.
    Sie drehte sich um und spähte durch das Tor und über den glitzernden Pool. Ihre Tante Beatrice kam auf sie zu; sie ran n te fast über den Steinplattenweg am Wasser entlang, die eine Hand auf den Mund gedrückt, die andere tastend, als drohe sie zu fallen. Sie war es, die da weinte, und sie weinte unve r kennbar. Ihr Haar löste sich aus dem sonst so ordentlichen Knoten am Hinterkopf. Ihr Seidenkleid hatte nasse Flecken.
    Michael und ein Mann in einem ominös schlichten dunklen Anzug folgten ihr eilig und redeten dabei

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