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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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das Grauen, vor dem ich mich all die Jahre hindurch in Donnelaith hatte verstecken wollen, brach über uns herein. Und meine Bekehrung hatte es heraufbeschworen!
    Wie vom Donner gerührt stand ich da, das Schwert in der Hand, und wußte nicht, was ich davon halten sollte. Aber dann kamen die Mönche zu mir. »Ashlar, führe sie zu Christus«, sagten sie, und ich wurde wie so mancher Zelotenkönig vor mir: Ich führte meine Bekehrten in den Kampf gegen ihre Brüder und Schwestern.
    Aber das eigentliche Grauen sollte noch kommen.
    Als die Schlacht vorüber war, hatten die Christen die Mehrheit; ich sah – ohne daß es mir noch vollständig ins Bewußtsein drang -, daß die meisten davon Menschen waren. Die Taltos-Elite, die dank unserer strengen Kontrolle ohnehin nie sehr zahlreich gewesen war, hatte die Schlacht nicht überlebt. Nur ungefähr fünfzig der unsrigen hatten überlebt, die Ältesten, Weisesten, in vieler Hinsicht auch die Hingebungsvollsten, und wir waren allesamt immer noch überzeugt von unserer Bekehrung.
    Aber was sollten wir nun mit den paar Menschen und Taltos anfangen, die nicht auf unserer Seite standen, die nur deshalb nicht getötet worden waren, weil das Töten beendet worden war, bevor alle tot waren? Jetzt sammelten sich diese Rebellen, angeführt von Janet, auf dem Schlachtfeld, hinkten verwundet davon, verfluchten uns. Aus dem Glen würden sie sich nicht vertreiben lassen, erklärten sie; lieber würden sie im Widerstand gegen uns an Ort und Stelle sterben.
    »Du, Ashlar, sieh nur, was du getan hast«, rief Janet. »Sieh allüberall die Leichen deiner Brüder und Schwestern, Männer und Frauen, die gelebt haben seit der Zeit, da es noch keine Kreise gab! Du hast ihren Tod herbeigeführt!«
    Aber kaum hatte sie dieses schreckliche Urteil über mich gesprochen, da fingen die eifernden Menschen an zu schreien: »Wie könnt ihr gelebt haben, als es noch keine Kreise gab? Was wart ihr denn, wenn nicht Menschenwesen?«
    Und schließlich trat der kühnste dieser Menschen, einer, der schon seit Jahren heimlich Christ gewesen war, an mich heran und schnitt mit seinem Schwert mein Gewand auf. Unversehens stand ich nackt vor ihnen im Kreis.
    Ich begriff, weshalb. Sie wollten sehen, ob unsere hochgewachsenen Körper wirklich Menschenkörper waren. Nun, sie mochten nur schauen, rief ich aus und trat über das zu Boden gefallene Gewand hinweg. Ich legte nach uralter Art zum Schwur die Hand auf meine Zeugungsorgane – »Zeugnis ablegen« – und gelobte, Christus ebenso gut zu dienen wie nur jeder Mensch.
    Aber das Blatt hatte sich gewendet. Die übrigen christlichen Taltos verloren den Mut. Der Anblick des Gemetzels hatte ihren Abscheu erregt. Sie fingen an zu weinen und vergaßen die Kunst der Zunge, und statt dessen redeten sie in unserer eigenen hohen, schnellen Sprache, was die Menschen bald in Angst und Schrecken versetzte.
    Ich hob die Stimme und forderte Ruhe, verlangte Gefolgschaft. Mein zerschnittenes Gewand hatte ich wieder angelegt.
    Was würde Christus zu dem, was wir getan hatten, wohl sagen? Worin bestand denn hier das Verbrechen – darin, daß wir ein fremder Stamm waren? Oder darin, daß wir im Streit unsere Brüder und Schwestern erschlagen hatten? Ich weinte mit großer Geste und riß mir die Haare aus, und die anderen weinten mit mir.
    Aber die Mönche waren jetzt voller Angst, und die menschlichen Christen nicht minder. Der Argwohn, den sie ein Leben lang im Glen gehegt hatten, hatte unvermittelt Nahrung bekommen. Und wieder begann der Strom der Fragen. Unsere Kinder – wo waren sie?
    Und schließlich trat ein Taltos-Mann, den ich sehr liebte, vor die anderen und erklärte, von diesem Augenblick an werde er im Namen Christi und der Heiligen Jungfrau im Zölibat leben. Weitere Taltos gelobten das gleiche, Männer wie Frauen.
    »Was immer wir waren«, erklärten die Frauen, »ist nicht mehr wichtig, denn wir werden zu Bräuten Christi werden und unser eigenes Kloster gründen im Geiste von Iona.«
    Laute Rufe brachen los, Rufe des Jubels und der Zustimmung, und die Menschen, die uns immer geliebt, die mich als ihren König geliebt hatten, sammelten sich eilig um uns.
    Doch die Gefahr schwebte in der Luft. Jeden Augenblick konnten die blutigen Schwerter wieder aneinander klirren, und das wußte ich. »Rasch, ihr alle, vermählt euch mit Christus«, rief ich. Im Zölibatsgelübde des Taltos sah ich unsere einzige Chance zum Überleben.
    Janet schrie, ich solle diesen unnatürlichen

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