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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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und frevelhaften Plan fallen lassen. Und in einem machtvollen Strom von Worten, manchmal zu schnell, dann wieder zu langsam sprach sie von unseren Bräuchen, unserer Nachkommenschaft, unseren sinnlichen Ritualen und unserer langen Geschichte – von allem, was ich nun zu opfern bereit war.
    Es war ein tödlicher Fehler.
    Sofort stürzten sich die Christenmenschen auf sie, fesselten sie an Händen und Füßen, und wer sie verteidigen wollte, wurde niedergeschlagen. Ein paar der bekehrten Taltos wandten sich zur Flucht, und auch sie wurden niedergemacht. Wieder kam es zu einem erbitterten Kampf; Hütten und Häuser gingen in Flammen auf, und die Leute rannten in ihrer Panik durcheinander und schrien zu Gott um Hilfe. »Tötet die Ungeheuer!« so schrie es allenthalben.
    Einer der Mönche erklärte, dies sei das Ende der Welt. Einige Taltos pflichteten ihnen bei und fielen auf die Knie. Als die Menschen sie in dieser unterwürfigen Haltung erblickten, töteten sie auf der Stelle alle diejenigen, die sie nicht kannten, die sie fürchteten oder die sie nicht mochten, und sie verschonten nur wenige, die bei allen beliebt waren.
    Nur ich und eine Handvoll anderer blieben übrig – diejenigen, die in der Stammesführung am aktivsten gewesen waren und hypnotische Persönlichkeiten besaßen. Die wenigen, die den Mut harten, uns anzugreifen, schlugen wir zurück, und andere bändigten wir mit wilden Blicken oder stimmgewaltigen Flüchen.
    Und schließlich, als die Raserei ihren Höhepunkt erreicht hatte und die Männer unter der Last ihres Schwertes zusammenbrachen, während andere heulten und um die Gefallenen jammerten, da waren nur noch fünf von uns übrig – fünf Taltos, die sich Christus geweiht hatten. Die aber, die Christus nicht hatten annehmen wollen, waren vernichtet – alle außer Janet.
    Die Mönche riefen die Menge zur Ordnung.
    »Sprich zu deinem Volk, Ashlar. Sprich, oder alles ist verloren. Donnelaith wird es nicht mehr geben, und das weißt du.«
    »Ja, sprich«, sagten die anderen Taltos, »und sag nichts mehr, was jemandem angst machen könnte. Sei klug, Ashlar.«
    Ich weinte so sehr, daß diese Aufgabe meine Kräfte zu übersteigen schien. Wohin ich auch schaute, sah ich die Toten, Hunderte, die seit dem Steinkreis in der Ebene geboren waren, tot und dahin, in die Ewigkeit eingegangen oder vielleicht auch in die Flammen der Hölle, weil sie Christi Gnade nicht gefunden hatten.
    Ich fiel auf die Knie. Ich weinte, bis ich keine Tränen mehr hatte, und als ich aufhörte, war es still im Tal.
    »Du bist unser König, Ashlar«, riefen die Menschen. »Sag uns, daß du kein Teufel bist, und wir werden dir glauben.«
    Die anderen Taltos hatten verzweifelte Angst. Ihr Schicksal hing jetzt an dem meinen. Aber sie waren diejenigen, die unter den Menschen am besten bekannt waren und am meisten verehrt wurden. Wir hatten also eine Chance – das heißt, wenn ich jetzt nicht verzweifelte und unser aller Schicksal besiegelte.
    Aber was war von meinem Volk denn noch übrig? Was? Und was hatte ich hier in unser Tal getragen?
    Die Mönche kamen näher. »Ashlar, Gott prüft den, welchen er liebt.« Sie meinten es ernst. Auch ihre Augen waren von Trauer erfüllt. »Gott versucht denjenigen, den er zum Heiligen machen will.« Ungeachtet dessen, was andere über unsere Monstrosität, unsere Sündhaftigkeit denken mochten, warfen sie mir die Arme um den Hals und standen fest an meiner Seite gegen den Rest, und sie setzten damit ihre eigene Sicherheit aufs Spiel.
    Janet, die von ihren Bewachern festgehalten wurde, ergriff noch einmal das Wort.
    »Ashlar, du bist der Verräter deines Volkes. Du hast im Namen eines fremden Gottes den Deinen den Tod gebracht. Du hast den Clan von Donnelaith vernichtet, der seit undenklichen Zeiten in diesem Glen gelebt hat.«
    »Bringt die Hexe zum Schweigen!« schrie einer.
    »Verbrennt sie«, ein anderer. Und noch einer und noch einer.
    Und während sie noch redete, erhob sich ein Raunen, und etliche schickten sich an, im Steinkreis einen Scheiterhaufen zu errichten.
    All das sah ich aus dem Augenwinkel, und sie ebenfalls, und dennoch verlor sie den Mut nicht.
    »Ich verfluche dich, Ashlar. Ich verfluche dich in den Augen des guten Gottes!«
    Ich konnte nicht sprechen, und doch wußte ich, was ich zu tun hatte. Ich mußte sprechen, um mich, die Mönche und meine Anhänger zu retten. Ich mußte sprechen, wenn ich den Tod Janets verhindern wollte.
    Man hatte Holz zum Scheiterhaufen getürmt.

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