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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Leiden und Tod, von den besten Absichten, die doch nur in grauenvolles Verderben führten.
    Aber die Mönche kamen zu mir und hoben mich auf. Meine Anhänger riefen nach mir. Ich solle kommen, sagten sie, und ein Wunder sehen, das sich vor der ausgebrannten Ruine des Turms ereignet habe, in dem Janet und die ihr Nahestehenden gewohnt hatten.
    Benommen und sprachlos ließ ich mich dort hinschleifen, und nur allmählich begriff ich, daß eine alte, längst versiegte Quelle wieder zum Leben erwacht war. Klares Wasser sprudelte aus der Erde und bahnte sich seinen Weg durch das alte, eingetrocknete Bett, zwischen Hügeln und Baumwurzeln hindurch in eine große Wiese voll blühender Wildblumen.
    Ein Wunder!
    Ein Wunder. Ich dachte nach. Sollte ich darauf hinweisen, daß dieser Bach in diesem Jahrhundert schon oft gekommen und wieder gegangen war? Daß die Blumen schon gestern und vorgestern geblüht hatten, weil der Boden dort bereits feucht gewesen war, was den kleinen Quell schon angekündigt hatte, der nun aus der Erde gebrochen war?
    Oder sollte ich ebenfalls sagen: »Ein Wunder!«
    Ich sagte: »Ein Zeichen von Gott!«
    »Kniet alle nieder«, rief Ninian. »Badet in diesem heiligen Wasser. Wascht ab das Blut derer, die Gottes Gnade nicht annehmen wollten und nun in die ewige Verdammnis eingegangen sind!«
    Janet, die für alle Zeit in der Hölle brannte, auf jenem Scheiterhaufen, der niemals erlischt, die Stimme, die mich noch weinend verfluchte…
    Mich schauderte, und ich wäre fast wieder in Ohnmacht gefallen, aber ich sank auf die Knie.
    Im Grunde meiner Seele wußte ich, daß der neue Glaube mich mit sich reißen, daß er mein ganzes Leben verzehren mußte, denn sonst wäre ich verloren in Ewigkeit!
    Ich hatte keine Hoffnung mehr, keine Träume. Ich hatte keine Wörter mehr, und es dürstete mich nach nichts! Und dies mußte mich retten, oder ich würde an Ort und Stelle sterben, durch reine Willenskraft, würde nie wieder sprechen, mich bewegen oder Nahrung zu mir nehmen, bis der Tod sich über mich stähle.
    Ich fühlte, wie das kalte Wasser mir ins Gesicht klatschte. Ich fühlte, wie es in meine Kleider lief. Die anderen hatten sich versammelt. Auch sie badeten. Die Mönche hatten begonnen, die ätherischen Psalmen zu singen, die ich auf Iona gehört hatte. Mein Volk, die Menschen von Donnelaith, die traurig weinten und nach der gleichen großen Erlösung lechzten, stimmten auf altmodische Weise in das Lied ein und sangen jeden Vers den Mönchen nach, bis überall Stimmen ertönten zum Lobpreis Gottes.
    Und wir alle wurden getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
    Von da an war der Clan von Donnelaith christlich. Lauter Menschen, und nur fünf Taltos.
    Bis zum nächsten Morgen fanden sich noch ein paar Taltos ein, überwiegend sehr junge Frauen, die zwei fast neugeborene Männer in ihrem Haus verborgen hatten; von dort aus hatten sie die ganze Tragödie mitangesehen, auch Janets Hinrichtung. Es waren alles in allem sechs.
    Die Menschen brachten sie zu mir. Sie wollten nicht sprechen, wollten Christus weder annehmen noch zurückweisen, sondern sahen mich nur voller Entsetzen an. Was sollten wir tun?
    »Laßt sie gehen, wenn sie wollen«, sagte ich. »Laßt sie aus dem Tal entfliehen.«
    Niemand hätte noch mehr Blut und Tod verdauen können. Und ihre Jugend, ihre Schlichtheit, ihre Unschuld umgaben sie wie ein Schild. Und als die Neubekehrten zurückwichen, flüchteten diese Taltos nur mit dem, was sie am Leibe trugen, in den Wald.
    In den folgenden Tagen gewannen wir fünf Männer, die wir übriggeblieben waren, die Zuneigung des ganzen Volkes. Mit der Inbrunst ihres neuen Glaubens priesen sie uns, weil wir ihnen Christus gebracht hätten, und sie ehrten uns wegen unseres Keuschheitsgelübdes. Die Mönche unterwiesen uns Tag und Nacht und bereiteten uns auf den Eintritt in den Ordensstand vor. Wir brüteten über unseren heiligen Büchern. Wir beteten ohne Unterlaß.
    Man begann die Arbeit an der Kirche, einem machtvollen romanischen Bauwerk aus trockenem Stein mit runden Bogenfenstern und einem langgestreckten Kirchenschiff.
    Und ich selbst führte eine Prozession durch den alten Steinkreis, wo wir alle Symbole aus alter Zeit unkenntlich machten und neue Embleme in den Stein meißelten, Bilder aus dem Altarbuch der Evangelien.
    Da war der Fisch, der für Christus stand, die Taube, die den Apostel Johannes versinnbildlichte, der Löwe für Markus, der Ochse für Lukas und der Mensch

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