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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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für Matthäus. Und in einer kleinen Taltos-Raserei schnitten wir biblische Szenen in flachere Steine und schafften sie auf den Friedhof; wir stellten Kreuze, wie sie in unserem Buch zu sehen waren, auf die alten Gräber, prunkvoll und verschnörkelt.
    Es war ein kurzes Zwischenspiel, das ein wenig von der alten Glut wiederkehren ließ, wie sie uns auf der Ebene von Salisbury allesamt erfaßt hatte. Aber jetzt waren wir nur noch fünf und kein ganzes Volk mehr – fünf, die ihrer eigenen Natur abgeschworen hatten, um Gott und den Christenmenschen zu gefallen, fünf, die sich in die Rolle von Heiligen hatten drängen lassen, um nicht massakriert zu werden.
    Aber in mir und den anderen lauerte ein dunkles Grauen. Wie lange würde dieser unbehagliche Waffenstillstand halten? Würde uns nicht schon die geringste Sünde von unserem Podest werfen?
    Und noch während ich zu Gott betete, er möge mir helfen, möge mir all meine Irrtümer verzeihen und mich an sich binden als einen guten Priester, da wußte ich schon, daß wir fünf nicht viel länger in Donnelaith würden bleiben können.
    Und ich ertrug es auch nicht! Selbst wenn ich betete, selbst wenn ich mit den Mönchen die Psalmen sang, gellte mir Janets Fluch in den Ohren, und ich sah mein Volk blutbedeckt. Christus, schenke mir deinen Glauben, betete ich, aber in meinem geheimsten Herzen glaubte ich nicht daran, daß der einzige Weg für mich und meinesgleichen in dieser Selbstverleugnung und Keuschheit bestand. Wie konnte das sein? Wollte Gott denn, daß wir ausstarben?
    Dies war keine Selbstaufopferung, sondern es war absolute Selbstverleugnung. Für Christus waren wir zu nichts geworden!
    Und dennoch brannte die Liebe Christi heiß in mir. Sie brannte verzweifelt. Und ein sehr starkes persönliches Gefühl für meinen Erlöser entwickelte sich in mir, wie es das bei Christen schon immer getan hat. Nacht für Nacht sah ich in meinen Meditationen den Kelch Christi vor mir, den heiligen Berg, auf dem Josephs Weißdornbusch blühte, das Blut im Wasser des Brunnens, der Chalice Well hieß. Ich gelobte, eine Wallfahrt nach Glastonbury zu unternehmen.
    Gerüchte rumorten außerhalb des Glen. Die Menschen hatten von der heiligen Schlacht von Donnelaith gehört, wie man sie schon nannte. Sie hatten von großen, keuschen Priestern mit seltsamen Kräften gehört. Mönche hatten anderen Mönchen geschrieben und die Geschichte weitererzählt.
    Die Legende vom Taltos erwachte wieder. Andere, die als Pikten in kleinen Gemeinden gelebt hatten, mußten jetzt aus ihrem Heim flüchten, weil ihre heidnischen Nachbarn sie verhöhnten und bedrohten, während Christen zu ihnen kamen und sie beschworen, von ihrem unheiligen Leben abzulassen und zu »heiligen Vätern« zu werden.
    Im Wald wurden wilde Taltos gefunden, und man munkelte, in dieser oder jener Stadt sei die magische Geburt bezeugt worden. Und die Hexen waren wieder auf der Jagd und brüsteten sich damit, sie könnten uns zwingen, uns zu offenbaren, und uns machtlos machen.
    Andere Taltos hatte man entlarvt als das, was sie waren; reich gekleidet und bis an die Zähne bewaffnet, kamen sie in hochgerüsteten Trupps ins Glen und verfluchten mich für das, was ich getan hatte.
    Ihre Frauen, wunderschön gewandet und von allen Seiten bewacht, sprachen von Janets Fluch, von dem sie hatten flüstern hören – ohne Zweifel von den Taltos, die aus Donnelaith geflüchtet waren -; sie verlangten, daß ich den Fluch vor aller Ohren wiederholte und ihr Urteil hörte.
    Ich weigerte mich. Ich sagte nichts.
    Und zu meinem Entsetzen wiederholten diese Taltos den Fluch daraufhin selbst, denn tatsächlich kannten sie ihn schon längst.
    »Verflucht, Ashlar, verflucht für alle Zeit! Möge der Tod dich in Ewigkeit meiden. Mögest du wandern, ungeliebt und kinderlos und ohne dein Volk, bis unsere wunderbare Geburt der einzige Traum in deiner Einsamkeit ist. Möge die Welt um dich herum zerfallen, bevor dein Leiden ein Ende hat.«
    Es war für sie zu einem Gedicht geworden, das sie hersagen konnten, und als sie fertig waren, spuckten sie mir vor die Füße.
    »Ashlar, wie konntest du das verlorene Land vergessen?« fragten die Frauen. »Wie konntest du den Kreis in der Ebene von Salisbury vergessen?«
    Dieser tapfere Rest wanderte zwischen den Ruinen der alten Brochs umher, und die Menschen von Donnelaith beobachteten sie mit kalten Augen und voller Angst, und sie seufzten erleichtert, als der Trupp das Tal verließ.
    In den folgenden Monaten

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