Die Mayfair-Hexen
daß dieses Spiel ›Überleben‹ heißt«, antwortete Morrigan. »Ich brauche alle diese Informationen – Tagebücher, Akten, Aufzeichnungen – zum Überleben. Das Haus in der First Street steht jetzt leer; das wissen wir, und wir können uns in Ruhe auf Michaels und Rowans Heimkehr vorbereiten. Also treffe ich hier und jetzt die Entscheidung, daß wir dort hinfahren, zumindest bis Michael und Rowan wieder zurück sind und wir sie über die Lage in Kenntnis gesetzt haben. Wenn mein Vater mich dann aus dem Hause verbannen will, suchen wir uns eine angemessene Behausung, oder wir verwirklichen Mutters Plan und beschaffen die nötigen Mittel zur vollständigen Restaurierung von Fontevrault. So, habt ihr euch das alles gemerkt?«
»Es gibt Waffen in dem Haus«, sagte Mary Jane. »Das hat sie dir erzählt. Pistolen oben, Pistolen unten. Diese Leute werden Angst haben vor dir. Das Haus gehört ihnen. Sie werden schreien! Begreifst du das nicht? Sie glauben, daß Taltos böse Wesen sind – böse! Daß sie versuchen, die Weltherrschaft zu übernehmen!«
»Ich bin eine Mayfair!« erklärte Morrigan. »Ich bin die Tochter meines Vaters und meiner Mutter. Und zum Teufel mit den Pistolen. Sie werden nicht mit einer Pistole auf mich zielen. Das ist völlig absurd, und ihr vergeßt, daß sie überhaupt nicht mit mir rechnen und gänzlich unvorbereitet sein werden, und außerdem werdet ihr ja da sein, ihr beide, um mich zu beschützen und für mich zu sprechen und sie streng davor zu warnen, mir ein Haar zu krümmen, und bitte versucht doch auch einmal, euch zu merken, daß auch ich eine Zunge im Munde habe, mit der ich mich zu schützen verstehe, und daß diese Situation keinerlei Analogie zu irgendeiner anderen, schon dagewesenen Situation aufweist, und daß es am besten ist, wenn wir uns dort niederlassen, wo ich alles studieren kann, was ich studieren sollte, einschließlich dieses berühmten Victrola und des Gartens – da habt ihr’s schon wieder! Hört auf zu schreien, alle beide!«
»Grab du bloß nicht die Leichen aus!« schrie Mona.
»Genau! Laß diese Leichen unter dem Baum liegen!« ergänzte Mary Jane.
»Absolut, will ich ja, werde ich ja, sagte ich ja. Keine Leichen ausgraben. Schlimme, ganz schlimme Idee. Morrigan tut es leid. Morrigan wird es nicht tun. Morrigan hat es Mona und Mary Jane versprochen. Keine Zeit für Leichen! Außerdem, was gehen mich diese Leichen an?« Morrigan schüttelte den Kopf, daß das rote Haar wild hin und her flog, und warf es dann kraftvoll und entschlossen nach hinten. »Ich bin die Tochter von Michael Curry und Mona Mayfair. Und darauf kommt es an, nicht wahr?«
»Wir haben Angst, das ist alles!« erklärte Mary Jane. »Wenn wir jetzt gleich umkehren und nach Fontevrault zurückfahren…«
»Nein. Nicht ohne die nötigen Pumpen, Gerüste, Hebewerkzeuge und Balken, um dieses Haus gerade zu richten. Ich werde ihm natürlich mein Leben lang sentimental verbunden bleiben, aber im Augenblick kann ich einfach nicht dort bleiben! Ich brenne darauf, die Welt zu sehen, versteht ihr beide das denn nicht, und die Welt ist nicht der Supermarkt von Napoleonville und die neuesten Ausgaben von Time und Newsweek und New Yorker. Ich kann nicht länger dableiben und abwarten. Außerdem, was wißt ihr schon, vielleicht sind sie schon zu Hause, Rowan und Michael, und ich bin dafür, ihnen auf der Stelle entgegenzutreten. Ohne Zweifel werden sie mir die Unterlagen zur Verfügung stellen, auch wenn sie sich im tiefsten Grunde ihres Herzens für die Ausrottung entschieden haben.«
»Sie sind nicht zu Hause«, sagte Mona. »Ryan hat gesagt, sie kommen erst in zwei Tagen.«
»Na, wovor zum Teufel habt ihr dann solche Angst?«
»Ich weiß es nicht«, rief Mona.
»Dann bleibt es bei der First Street, und ich will jetzt kein Wort mehr darüber hören. Es gibt doch ein Gästezimmer, nicht wahr? Dort werde ich schlafen. Und ich möchte, daß diese Zankerei jetzt aufhört. Wir können uns dort in aller Ruhe für einen sicheren Heimatstützpunkt entscheiden. Außerdem will ich dieses Haus sehen; ich will das Haus sehen, das die Hexen gebaut haben. Begreift ihr denn alle beide nicht, in welchem Maße mein Dasein und mein Schicksal mit diesem Hause verknüpft sind, mit dem Haus, das dazu gedacht ist, die Familie mit der Riesenhelix zu erhalten? Ja, wenn wir den sentimentalen Nebel einmal beiseite blasen, wird doch absolut offensichtlich, daß Stella, Antha und Deirdre gestorben sind, damit ich leben
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