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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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hatte noch eine weite Reise vor mir, und es war zu früh, um schon jetzt Rast zu machen. Ich wollte weg von hier.
    Eben wollte ich weiterreiten, um den Berghang herum, als eine Stimme mich rief.
    Es war eine Frauenstimme, sehr sanft und scheinbar von nirgendwoher, und ich hörte sie rufen:
    »Ashlar, ich habe auf dich gewartet.«
    Ich drehte mich um, schaute hierhin und dorthin. Die Dunkelheit war beunruhigend. Das Kleine Volk, dachte ich, eine seiner Frauen, entschlossen, mich zu verführen. Und noch einmal beschloß ich, weiterzureiten, aber wieder kam dieser Ruf, sanft wie ein Kuß.
    »Ashlar, König von Donnelaith, ich warte auf dich.«
    Ich schaute zu der kleinen Hütte hinüber, deren Licht in der Dunkelheit flackerte, und da stand die Frau. Ihr Haar war sehr rot, ihre Haut sehr blaß. Sie war ein Mensch, eine Hexe, und sie verströmte den feinen Duft einer Hexe, was bedeuten konnte, daß sie das Blut des Taltos in sich hatte, aber vielleicht auch nicht.
    Ich hätte weiterreiten sollen. Ich wußte es sofort. Hexen bedeuteten immer Unheil. Aber die Frau war wunderschön, und im Schatten spielten meine Augen mir einen Streich, und sie sah ein bißchen so aus wie meine verlorene Janet.
    Als sie mir entgegenkam, sah ich, daß sie Janets strenge grüne Augen und ihre gerade Nase hatte, und ihr Mund war wie aus Marmor geschnitten. Sie hatte die gleichen kleinen, sehr runden Brüste und einen langen und anmutigen Hals. Dazu kam das prächtige rote Haar, das für den Taltos schon immer Verlockung und Entzücken bedeutete.
    »Was willst du von mir?« fragte ich.
    »Komm, lege dich zu mir«, sagte sie. »Komm in mein Haus. Ich lade dich ein.«
    »Du bist eine Närrin«, sagte ich. »Du weißt, was ich bin. Ich lege mich zu dir, und du stirbst.«
    »Nein«, sagte sie. »Ich nicht.« Und sie lachte, wie so viele Hexen vor ihr gelacht hatten. »Ich werde den Riesen gebären, den du zeugst.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Geh deiner Wege, und sei dankbar dafür, daß ich nicht so leicht in Versuchung zu führen bin. Du bist schön. Ein anderer Taltos könnte sich deiner bedienen. Wer ist denn hier, um dich zu schützen?«
    »Komm«, sagte sie. »Komm in mein Haus.« Sie näherte sich weiter, und in den paar matten Lichtstrahlen, die durch das Astwerk drangen, in den langen, sehr goldenen Strahlen des verlöschenden Tages, sah ich ihre schönen weißen Zähne, und ich sah auch, wie ihre Brüste aussahen unter der feinen Spitzenbluse über dem schmerzhaft engen, ledernen Mieder.
    Nun, es könnte ja nichts schaden, einfach bei ihr zu liegen und meine Lippen auf ihre Brüste zu drücken, dachte ich. Aber andererseits… sie ist eine Hexe. Warum erlaube ich mir, auch nur daran zu denken?
    »Ashlar«, sagte sie, »wir alle kennen deine Geschichte. Wir wissen, daß du der König bist, der sein Volk verraten hat. Willst du die Geister der Höhle nicht fragen, wie du Vergebung finden kannst?«
    »Vergebung? Nur Christus kann mir meine Sünden vergeben, Kind«, antwortete ich.
    »Welche Macht hätte Christus, den Fluch abzuwenden, den Janet über dich gesprochen hat?«
    »Verhöhne mich nicht weiter.« Ich wollte sie. Und je zorniger ich wurde, desto weniger kümmerte mich ihr Schicksal.
    »Komm mit mir«, sagte sie. »Trinke das Gebräu, das ich am Feuer habe, und dann geh in die Höhle, und du wirst die Geister sehen, die alles wissen, König Ashlar.«
    Sie trat an mein Pferd und legte ihre Hand auf die meine, und ich fühlte, wie das Verlangen in mir weiter anschwoll. Sie hatte die durchdringenden Augen einer Hexe, und Janets Seele schien aus ihnen hervorzuschauen.
    Kaum hatte ich mich entschlossen, als sie mir auch schon vom Pferd geholfen hatte und wir zusammen durch dichtes Farnkraut und Holundergestrüpp gingen.
    Die kleine Hütte war ein scheußlicher, furchterregender Ort! Sie hatte keine Fenster. Über dem Feuer hing ein Kessel an einer langen Stange. Aber das Bett war sauber und mit hübsch besticktem Linnen bezogen.
    »Gut für einen König«, sagte sie.
    Ich schaute mich um und entdeckte eine dunkle Tür, die jener gegenüberlag, durch die wir eben hereingekommen waren.
    »Das ist ein geheimer Weg in die Höhle«, sagte sie, und plötzlich küßte sie meine Hand und zog mich auf das Bett. Dann ging sie zu dem Kessel und füllte einen rohen, irdenen Becher mit der Brühe, die darin schwamm.
    »Trinke das, Majestät«, sagte sie, »und die Geister der Höhle werden dich sehen und hören.«
    Oder ich werde sie sehen und

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