Die Mayfair-Hexen
mich links an die Wand und schaute in die große Kammer hinein, wo die vielen Totenmasken mir entgegengrinsten.
Die plumpe Kerze fiel mir aus der Hand, aber sie erlosch nicht. Sie blieb im Lehm liegen, und als ich danach greifen wollte, konnte ich es nicht.
Langsam hob ich den Kopf und sah meine verlorene Janet.
Sie kam durch die Schädelkammer auf mich zu, langsam, nicht wie eine wirkliche Frau, sondern wie eine Gestalt in einem Traum.
»Aber ich bin doch wach«, sagte ich laut.
Ich sah, wie sie nickte und lächelte. Vor der kraftlos flackernden kleinen Kerze blieb sie stehen.
Sie trug das gleiche rosenrote Gewand wie an dem Tag, als man sie verbrannt hatte, und dann sah ich zu meinem Entsetzen, daß die Seide von den Flammen zerfressen war und ihre weiße Haut durch die Risse im Stoff schimmerte. Und ihr langes blondes Haar war versengt und an den Spitzen schwarz, und ihre Wangen, die bloßen Füße und die Hände waren mit Asche verschmiert. Aber da war sie, lebendig und neben mir.
»Was ist, Janet?« fragte ich. »Was willst du mir jetzt sagen?«
»Ah, aber was sagst du zu mir, mein geliebter König? Ich bin dir gefolgt, vom großen Kreis im Südland hinauf nach Donnelaith, und du hast mich vernichtet.«
»Verfluche mich nicht, du schöner Geist.« Ich richtete mich auf den Knien auf. »Gib mir, was uns allen helfen wird! Ich habe den Weg der Liebe gesucht. Aber es war der Weg in den Untergang.«
Eine Veränderung kam über ihr Gesicht, ein Ausdruck der Ratlosigkeit, dann Wachsamkeit.
Ihr schlichtes Lächeln verlor sich; sie nahm meine Hand und sprach Worte, die klangen wie ein Geheimnis zwischen uns.
»Möchtest du ein neues Paradies finden, Euer Ehren? Möchtest du noch einmal ein Monument bauen wie dieses, welches du in der Ebene hinterlassen hast für alle Zeit? Oder möchtest du lieber einen Tanz finden, so einfach und anmutig, daß alle Völker der Welt ihn tanzen könnten?«
»Den Tanz, Janet, den möchte ich. Und wir hätten einen großen, lebendigen Kreis.«
»Und möchtest du ein Lied machen, so süß, daß kein Mann und keine Frau auf Erden ihm je widerstehen könnte?«
»Ja«, sagte ich. »Und wir würden es in Ewigkeit singen.«
Ihr Gesicht hellte sich auf, ihre Lippen teilten sich. Und in ihrem Blick lag leises Erstaunen, als sie sagte:
»So nimm den Fluch, den ich dir gebe.«
Ich fing an zu weinen.
Sie bedeutete mir mit einer Geste, still zu sein, aber sie blieb geduldig. Und dann sprach sie dieses Lied in der sanften, schnellen Sprache des Taltos:
Dein Weg ist lang, deine Suche verdammt
Dein Winter hat gerade erst begonnen
Diese bittere Zeit zur Legende verblaßt
Die Erinn’rung ihren Sinn verliert
Doch wenn du am Ende dann siehst ihre Arme
Ausgestreckt in kühner Vergebung
So scheu’ nicht vor dem, was die Erde vermag
Wenn Regen und Wind sie befruchten mit neuer Saat
Soll’n sprießen die Schößlinge, sich entfalten die Blätter
Und sollen die Äste erblühen
Wo einst die Nessel wohl alles erstickte
Und Männer das Grün nur zertraten
Der Tanz und der Kreis und dazu noch das Lied
Das ist der Schlüssel zum Himmel
Und ein Leben, wie einst es die Mächt’gen verschmähten
Gereicht ihnen endlich zum Segen
Das Licht schwand in der Höhle, die kleine Kerze erlosch, und mit einer zarten Abschiedsgeste ihrer Hand lächelte sie mir noch einmal zu und verschwand dann vollends.
Die Worte, die sie gesprochen hatte, waren in mein Herz graviert, als wären sie in die flachen Steine des Kreises gemeißelt. Und ich sah sie und hielt sie für alle Zeit dort fest, noch bevor der Klang ihrer Stimme vollends verhallt war.
Es war dunkel in der Höhle. Ich tastete vergebens nach der Kerze. Aber als ich aufsprang, sah ich das Feuer, das in der kleinen Hütte am Ende des Tunnels brannte, durch den ich hereingekommen war.
Ich wischte mir über die Augen, überwältigt von meiner Liebe zu Janet und einem schrecklichen Wirrwarr aus Verzückung und Schmerz. Ich hastete zurück in die kleine, warme Stube und sah die rothaarige Hexe, deren Kopf auf dem Kissen ruhte.
Einen Moment lang war es Janet! Und nicht dieser sanfte Geist, der mich angeschaut hatte mit liebevollem Blick und Verse gesprochen hatte, die ein wenig Erlösung verhießen.
Es war die verbrannte, die leidende, sterbende Frau; kleine Flammen tanzten in ihrem Haar, und ihre Knochen verglühten. In Todespein bog sich ihr Rücken, und ihre Arme streckten sich mir entgegen. Ich schrie auf und versuchte, sie den
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