Die Mayfair-Hexen
Flammen zu entreißen, und da war es wieder die Hexe mit den roten Haaren, die mich in ihr Bett geholt und mir den Trank gegeben hatte.
Tot, weiß, still für immer. Blut tränkte ihre gerafften Röcke, die kleine Hütte war eine Gruft, das Feuer ein Grablicht.
Ich machte das Kreuzzeichen.
Ich rannte hinaus.
Doch nirgends fand ich mein Pferd dort draußen im dunklen Wald, und gleich hörte ich das Gelächter der Kiemen Leute.
Ich wußte nur keinen Rat mehr; die Vision hatte mich in Angst und Schrecken versetzt, und ich stieß abwechselnd Gebete und Flüche aus. Wütend fuhr ich herum, forderte sie auf, doch herauszukommen und zu kämpfen, und im nächsten Augenblick war ich umzingelt. Zwei schlug ich mit meinem Schwert nieder, die übrigen ergriffen die Flucht, nicht ohne mir meinen grünen Mantel vom Leibe zu fetzen, meinen Ledergürtel herunterzureißen und meine armselige Habe zu stehlen. Mein Pferd hatten sie auch.
Ich war ein Vagabund, der nichts besaß als sein Schwert, und ich setzte ihnen nicht mehr nach.
Ich folgte meinem Instinkt und den Sternen, was ein Taltos immer vermag, und machte mich so auf den Weg zur Landstraße, und als der Mond aufging, wanderte ich nach Süden und ließ meine Heimat hinter mir.
Ich schaute nicht nach Donnelaith zurück.
Ich wanderte ins Sommerland, wie man es nannte, nach Glastonbury, und dort stand ich auf dem heiligen Berg, wo Joseph seinen Weißdornbusch gepflanzt hatte. Ich wusch mir die Hände in Chalice Well. Ich trank aus dem Brunnen. Ich durchquerte Europa, um Papst Gregor zu finden in den Ruinen von Rom. Ich reiste weiter nach Byzanz und schließlich auch ins Heilige Land.
Aber lange bevor meine Reise mich endlich zu Papst Gregors römischem Palast führte, hatte meine Suche sich im Grunde schon geändert. Ich war kein Priester mehr. Ich war ein Wanderer, ein Suchender, ein Forscher.
Ich könnte Ihnen tausend Geschichten aus jenen Tagen erzählen – auch, wie ich schließlich die Väter der Talamasca kennen lernte. Aber ich kann nicht behaupten, ihre Geschichte zu kennen. Ich weiß von ihnen, was auch Sie wissen und was jetzt Bestätigung gefunden hat, nachdem Gordon und seine Komplizen entlarvt wurden.
In Europa traf ich hin und wieder Taltos, Männer wie Frauen. Ich dachte, es würde immer so gehen. Es würde immer ein leichtes sein, früher oder später jemanden wie mich zu finden und die Nacht hindurch an gastlichem Feuer vom verlorenen Land zu reden, von der Ebene und den Dingen, an die wir alle uns erinnerten.
Im Jahr 1228 kehrte ich schließlich nach Donnelaith zurück. Es war zu lange her, daß ich auch nur einen einzelnen Taltos zu Gesicht bekommen hatte. Eine leise Furcht war diesbezüglich in mir erwacht, und Janets Fluch und ihre Verse wollten mir nicht mehr aus dem Sinn gehen.
Als einsamer Schotte durchwanderte ich das Land, erpicht darauf, mit den Barden der Highlands über ihre alten Sagen und Legenden zu reden.
Mir brach das Herz, als ich sah, daß die alte ehrwürdige Kirche nicht mehr da war; eine große Kathedrale stand an ihrer Stelle, am Eingang einer großen Marktstadt.
Ich hatte gehofft, die alte Kirche wiederzusehen. Aber wer wäre nicht beeindruckt gewesen von diesem mächtigen Bauwerk und der großen, finsteren Burg der Earls von Donnelaith, die das ganze Tal bewachte?
Ich krümmte den Rücken und zog die Kapuze weit über den Kopf, um meine Größe zu verbergen, und auf einen Stock gestützt ging ich hinunter, um meinen Dank dafür abzustatten, daß mein Turm im Glen noch stand, und mit ihm viele der Stein türme, die mein Volk errichtet hatte.
Und noch einmal vergoß ich Tränen der Dankbarkeit, als ich den Steinkreis entdeckte, weitab von den Bastionen der Festung. Die Steine standen wie immer im hohen Gras, unvergängliche Zeichen der Tänzer, die sich hier einst versammelt hatten.
Aber der große Schrecken kam, als ich die Kathedrale betrat, die Hand ins Weihwasserbecken tauchte und dann zu dem großen Buntglasfenster hinaufschaute. Es zeigte das Bild des Heiligen Ashlar.
Dort im Glas sah ich das Bildnis meiner selbst, angetan mit den Gewändern eines Priesters, mit langen, wallenden Haaren, wie ich sie in jenen Tagen gehabt hatte. Und ich schaute auf mein eigenes Ich, mit dunklen Augen, die so sehr meinen eigenen glichen, daß ich Angst bekam. Wie vom Donner gerührt, las ich das Gebet in lateinischer Sprache:
St. Ashlar, Geliebter des Herrn Jesus Christus
Und der Heiligen Jungfrau Maria
Der du wiederkommen
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