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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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miteinander.
    Heftiges, ersticktes Schluchzen kam von Beatrice. Ihre Absätze bohrten sich jetzt in den weichen Grasboden, aber sie kam immer näher.
    »Bea, was ist denn?« Mona stand auf, und Rowan ebenfalls. Rowan starrte der herannahenden Gestalt entgegen, und als Beatrice im Gras umknickte und sich gleich wieder fing, war es Rowan, nach der sie haltsuchend die Hand ausstreckte.
    »Sie haben es getan, Rowan«, stieß sie atemlos hervor. »Sie haben ihn umgebracht. Der Wagen ist auf den Gehweg gefahren. Sie haben ihn umgebracht. Ich hab’s mit eigenen Augen gesehen!«
    Mona streckte die Hand aus, um Beatrice zu stützen, und im nächsten Moment hatte ihre Tante den linken Arm um sie g e schlungen und bedeckte sie mit Küssen, während die andere Hand weiter nach Rowan tastete. Rowan ergriff sie und u m faßte sie mit beiden Händen.
    »Bea, wen haben sie umgebracht, wen denn?« rief Mona. »Du meinst doch nicht Aaron?«
    »Doch.« Bea nickte hektisch. Ihre Stimme klang jetzt trocken und war kaum noch hörbar. »Aaron. Sie haben ihn umg e bracht. Ich hab’s gesehen. Der Wagen ist auf den Gehweg hochgefahren, in der St. Charles Avenue. Ich habe noch g e sagt, ich fahre ihn her, aber er sagte, nein, er möchte lieber zu Fuß gehen. Der Wagen hat ihn mit Absicht angefahren, das habe ich gesehen. Dreimal hat er ihn überfahren!«
    Auch Michael legte jetzt die Arme um sie, und Bea sackte wie ohnmächtig zusammen und fiel zu Boden. Michael hob sie auf und hielt sie fest, und sie ließ sich weinend an seine Brust si n ken. Die Haare fielen ihr in die Augen, und ihre Hände tasteten immer noch umher, zitternd wie kleine Vögel, die nicht fliegen können.
    Der Mann in dem ominösen Anzug war ein Polizist – Mona sah die Pistole im Schulterhalfter -, ein Amerikaner chinesischer Abstammung mit einem zarten, gefühlvollen Gesicht.
    »Es tut mir leid«, sagte er, und sein Akzent war unverwechselbar der von New Orleans. Noch nie hatte Mona diese Mundart aus einem chinesischen Gesicht gehört.
    »Sie haben ihn ermordet?« flüsterte sie und schaute von dem Polizisten zu Michael, der Bea mit behutsamen Küssen beruhigte, während er ihr mit sanfter Hand das Haar glattstrich. Mona hatte Bea im ganzen Leben noch nicht so weinen s e hen, und einen Augenblick lang kollidierten zwei Gedanken in ihrem Kopf: Yuri mußte dann bereits tot sein, und wenn Aaron ermordet worden war, bedeutete das vielleicht, daß sie alle in Gefahr waren. Und das war schrecklich, unsagbar schrecklich, vor allem für Bea.
    Rowan sprach ruhig mit dem Polizisten. Ihre Stimme klang rauh und dünn in dem Durcheinander, im Lärm der Gefühle.
    »Ich will den Leichnam sehen«, sagte Rowan. »Können Sie mich hinbringen? Ich bin Ärztin. Ich muß ihn sehen. Ich brauche nur einen Augenblick, um mich anzuziehen.«
    Hatte Michael jetzt Zeit zu staunen, konnte Mona fassungslos sein? Oh, aber es leuchtete ein, nicht wahr? Die gräßliche Mary Jane hatte gesagt: »Sie hört zu. Sie wird reden, wenn sie soweit ist.«
    Und gottlob hatte sie in diesem Augenblick nicht weiter still und stumm dabeigesessen! Gott sei Dank, daß sie das nicht gekonnt hatte und jetzt wieder bei ihnen war.
    Da mochte sie ruhig zerbrechlich aussehen, da mochte ihre Stimme ruhig rauh und unnatürlich klingen. Ihr Blick war klar, als sie Mona jetzt anschaute und die Antwort des Polizisten ignorierte, der ihr erklärte, es sei vielleicht besser, wenn sie den Toten nicht anschaute – so, wie dieser Unfall sich abg e spielt hatte.
    »Bea braucht Michael«, sagte Rowan und griff nach Monas Handgelenk. Ihre Hand war kühl und fest. »Und ich, ich brauche jetzt dich. Gehst du mit?« »Ja«, sagte Mona. »O ja.«

 
3

    Er hatte dem kleinen Mann versprochen, das Hotel ein paar Augenblicke nach ihm zu betreten. »Wenn Sie mit mir herei n kommen, wird Sie jeder sehen«, hatte Samuel gesagt. »Jetzt behalten Sie die Sonnenbrille auf.«
    Yuri hatte genickt. Er hatte nichts dagegen, noch eine Weile im Auto sitzen zu bleiben und zuzusehen, wie die Leute an den eleganten Eingangstüren des Claridge’s vorbeigingen. Seit seiner Abreise aus dem Glen von Donnelaith hatte er nichts so tröstlich empfunden wie die Stadt London.
    Sogar die lange Fahrt nach Süden mit Samuel über nächtliche Autobahnen, die überall auf der Welt hätten sein können, war enervierend gewesen.
    Was das Glen anging, so war es noch sehr lebendig und ganz Und gar grausig in seiner Erinnerung. Was hatte ihn nur auf den Gedanken gebracht,

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