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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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weichgekochten Eiern zu füttern und sie zum Reden zu bringen? Dad sagt, das ist das perfekte Gegenmittel gegen die Trauer. Ich frage mich, ob Mutters Geist nicht auch irgendwo über allem schwebt.«
    »Alle Neuigkeiten sind plötzlich gute Neuigkeiten«, sagte Rowan mit leisem Lächeln; ihre Stimme klang dunkel wie immer. »Und die Mädchen werden im Haus wohnen, und die Stille wird warten müssen, und die Geister weichen zurück in die Wände.«
    »Glaubst du, sie sind immer noch da?« fragte Pierce mit rührender Unschuld.
    Gott segne die Mayfairs, die es nie gesehen haben und die eigentlich nicht richtig daran glauben.
    »Nein, mein Junge«, sagte Michael. »Es ist nur ein großes, schönes Haus, und es wartet auf uns und auf… neue, kommende Generationen.«
    »Auf die Mayfairs, die noch nicht geboren sind«, flüsterte Rowan.
    Sie waren gerade in die St. Charles Avenue eingebogen, diesen himmlischen grünen Korridor. Eichen in blendendem Frühlingslaub, milder Sonnenschein, gemächlicher Verkehr, ein hübsches Haus nach dem anderen aufscheinend. Meine Stadt, zu Hause, alles in Ordnung, Rowans Hand in meiner.
    »Ah, und die Amelia Street, schau doch«, sagte er.
    Wie adrett das Mayfair-Haus im San-Francisco-Stil aussah mit seinem frischen, pfirsichfarbenen Anstrich und den weißen Friesen und den grünen Fensterläden. Und alles Unkraut weg. Am liebsten hätte er angehalten, um Evelyn und Bea zu besuchen, aber er wußte, zuerst mußte er Mona sehen, Mutter und Kind in einer Person. Und er mußte mit seiner Frau allein sein, leise dort oben im großen Schlafzimmer mit ihr über alles sprechen, was geschehen war, über die Geschichten, die sie gehört, die seltsamen Dinge, die sie gesehen hatten und die sie vielleicht nie jemandem erzählen würden… außer Mona.
    Und morgen würde er zum Mausoleum hinausfahren, wo Aaron begraben lag, und er würde die irische Nummer abziehen und einfach so mit Aaron reden, laut, als könnte Aaron antworten, und wenn das jemandem dort nicht paßte, na, dann konnte der ja verschwinden, oder? Seine Familie hatte es immer so gehalten; sein Vater war zum Friedhof von St. Joseph hinausgefahren und hatte mit seinen Großeltern gesprochen, wann immer er Lust dazu gehabt hatte. Und Onkel Shamus – als der so krank gewesen war, da hatte er zu seiner Frau gesagt: »Du kannst immer noch mit mir reden, wenn ich nicht mehr da bin. Der Unterschied ist dann bloß, daß ich dir keine Antwort mehr geben werde.«
    Und wieder veränderte sich das Licht; es wurde dunkler, und die Bäume breiteten sich aus, überwucherten den Himmel und zerbrachen ihn zu winzigen, gleißenden Splittern. Der Garden District. Die First Street. Und, Wunder über Wunder, das Haus an der Ecke Chestnut Street inmitten seiner Bananenstauden und Farne und blühenden Azaleen, wo es sie erwartete.
    »Pierce, du mußt mit hereinkommen.«
    »Nein, sie warten in der Stadt auf mich. Ihr ruht euch jetzt aus. Ruft uns an, wenn ihr uns braucht.« Er war bereits hinausgesprungen, um Rowan beim Aussteigen seine Manneshand zu leihen. Dann steckte sein Schlüssel im Tor, und er winkte ihnen zum Abschied zu.
    Ein uniformierter Wachmann ging am Seitenzaun entlang und verschwand diskret hinten ums Haus.
    Die Stille war wieder eine heilsame, der Wagen glitt in Licht und Schatten davon, lautlos und fern, und der ersterbende Nachmittag war glänzend und warm und bot nicht den leisesten Widerstand. Der Duft von süßer Olive hing über dem ganzen Garten. Und heute abend würde er wieder den Jasmin riechen.
    Ash hatte gesagt, Duft sei ein äußerst wirkungsvoller Auslöser von Erinnerungen, ein Transportmittel in vergessene Welten. Und er hatte so recht gehabt.
    Er schloß seiner Frau die Haustür auf und verspürte plötzlich den Impuls, sie über die Schwelle zu tragen. Zum Teufel warum nicht?
    Sie stieß einen kleinen, unverhohlenen Freudenschrei aus und klammerte sich an seinen Nacken, als er sie hochhob.
    Entscheidend bei solchen Gesten war es, daß man die fragliche Lady nicht fallen ließ.
    »Und jetzt, meine Liebe, sind wir zu Hause«, grummelte er, und er drückte den Mund wieder an die weiche Stelle an ihrem Hals, drückte ihren Kopf in den Nacken und küßte sie unterm Kinn, »und der Duft der süßen Olive weicht Eugenias allgegenwärtigem Bohnerwachs und dem Duft von altem Holz und etwas, das dumpf und teuer riecht und köstlich einzuatmen ist.«
    »Amen«, sagte sie.
    Als er sie absetzen wollte, hielt sie sich noch einen Moment

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