Die Mayfair-Hexen
erleichtert, euch endlich zu sehen und eine Entscheidung zu erzwingen, ob ich nun unter diesem Dach, wie man so sagt, bleiben darf, als deine Tochter ebenso wie Monas Tochter. Wie ihr hier sehen könnt, hat sie mir den Smaragd um den Hals gehängt, aber ich beuge mich eurer Entscheidung.«
Rowan war sprachlos. Er ebenfalls. Es klang wie Monas Stimme, nur älter und ein bißchen weniger kraftvoll, als wäre sie bereits von der Welt geläutert worden.
Er blickte zu ihr auf und sah sie dastehen mit der mächtigen Flut strahlendroter Locken, den Brüsten einer Frau, den langen, geschwungenen Beinen und ihren Augen, Augen wie aus grünem Feuer.
»Vater«, flüsterte sie und fiel auf die Knie. Ihre langen Finger fuhren heran und umfaßten sein Gesicht.
Er schloß die Augen.
»Rowan«, sagte sie. »Liebe mich, und vielleicht tut er es dann auch.«
Rowan weinte, und ihre Finger spannten sich um seinen Hals. Sein Herz donnerte ihm in den Ohren; es stampfte, als werde es größer und immer größer.
»Morrigan ist mein Name.«
»Sie ist mein Kind, meins«, sagte Mona, »und deins, Michael.«
»Und ich glaube, es wird Zeit, daß ihr mich sprechen laßt«, sagte Morrigan, »und daß ich die Last der Entscheidung von euch nehme.«
»Nicht so schnell«, sagte er und blinzelte langsam mit den Lidern, um den Blick zu klären.
Aber irgend etwas hatte die lange Nymphe in Unruhe versetzt. Etwas hatte sie veranlaßt, die Hände zurückzuziehen und an ihren Fingern zu riechen. Ihr Blick ging blitzartig zu Rowan und dann wieder zu ihm. Sie erhob sich und stürzte auf Rowan zu, noch bevor Rowan zurückweichen konnte; sie schnupperte an Rowans Wangen und fuhr zurück.
»Was ist das für ein Geruch?« fragte sie. »Was ist es! Ich kenne diesen Geruch!«
»Hör mir zu«, sagte Rowan. »Wir werden miteinander sprechen. Das hast du ja gesagt. Jetzt komm.« Sie trat vor und ließ ihn ganz allein, sie schlang dem Mädchen die Arme um die Taille, und das Mädchen starrte mit komisch angstvollen Augen auf sie herunter.
»Der Geruch ist überall an dir.«
»Was glaubst du, was ist es?« fragte Mona. »Was könnte es sein?«
»Ein Mann«, flüsterte das Mädchen. »Sie waren bei ihm, diese beiden.«
»Nein, er ist tot«, sagte Mona. »Was du riechst, kommt aus den Bodendielen und aus den Wänden.«
»O nein«, flüsterte sie. »Es ist ein lebender Mann.« Unvermittelt packte sie Rowan bei den Schultern. Mona und Mary Jane sprangen ihr zur Seite und zogen sanft ihre Arme zurück. Michael war wieder aufgestanden. Gott, dieses Wesen war so groß wie er. Es war Monas Gesicht, aber es war nicht Mona, nein, ganz und gar nicht Mona.
»Der Geruch macht mich rasend«, flüsterte sie. »Ihr haltet es geheim vor mir? Warum?«
»Laß ihnen Zeit zum Erklären«, bat Mona. »Morrigan, hör auf damit und hör mir zu.« Und dann hatte sie die Hände des Mädchens ergriffen und hielt sie fest. Und Mary Jane stand auf den Zehenspitzen.
»Jetzt gib schon Ruhe, Long Tall Sally, und laß sie erzählen, was Sache ist.«
»Ihr versteht das nicht«, sagte Morrigan; ihre Stimme klang plötzlich gepreßt, und Tränen sammelten sich in ihren großen grünen Augen, als sie wieder Michael und dann Rowan anschaute. »Es gibt einen Mann, versteht ihr? Es gibt einen Mann wie mich! Mutter, du kannst es riechen. Mutter, sag die Wahrheit!« Es war ein Schrei. »Mutter, bitte, ich halte es nicht aus!« Und ihr Schluchzen klang, als purzele etwas die Treppe herunter; ihr Gesicht war verbissen vor Schmerz, und ihr langer, eckiger Körper schlotterte und bog sich sanft, als sie sich von den beiden anderen umarmen und aufrecht halten ließ.
»Überlaßt sie jetzt besser uns«, sagte Mary Jane.
»Tut ihr nichts, das müßt ihr mir schwören«, flehte Mona.
»Sagt es mir«, wisperte das verstörte Mädchen. »Sagt mir, wo ist er?«
Rowan schob Michael zum Aufzug und zog die alte Holztür auf. »Hinein.«
Und das letzte, was er sah, als er sich an die Rückwand des Aufzugs lehnte, waren diese hübschen Baumwollkleider, als die drei zusammen die Treppe hinaufflüchteten.
Er lag auf dem Bett.
»Nein, denk jetzt nicht daran. Nicht denken«, sagte Rowan.
Der nasse Lappen fühlte sich genauso an wie ein nasser Lappen. Es gefiel ihm nicht.
»Ich werde nicht sterben«, sagte er leise. Was für eine Anstrengung, diese Worte. War es wieder eine Niederlage, war es eine große, grausige Niederlage, unter deren Last die Gerüste der normalen Welt einknickten, während
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