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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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lang fest. Ah, das war schön! Und sein alterndes, ramponiertes Herz hatte nicht angefangen zu hämmern. Das würde sie doch hören, oder, mit ihrem ärztlichen Gehör? Nein, gesund und still stand er da und hielt sie an sich gedrückt; er roch ihr sauberes, weiches Haar und schaute durch die gebohnerte Diele, durch die hochaufgeschwungene weiße Tür, auf die fernen Wandbilder im Speisezimmer, auf denen noch immer die Nachmittagssonne lag. Zu Hause. Hier. Jetzt, wie es für uns beide niemals, niemals gewesen ist.
    Endlich entglitt sie ihm, landete auf den Füßen. Der Hauch eines Stirnrunzelns. »Oh, es ist nichts«, sagte sie. »Nur, bestimmte Erinnerungen sterben nicht so schnell, weißt du. Aber dann denke ich an Ash, und das zu betrachten ist besser als all diese traurigen Dinge.«
    Er wollte ihr antworten, wollte etwas über seine eigene Liebe zu Ash sagen, und noch etwas, das ihn beinahe marterte. Es wäre besser, es auf sich beruhen zu lassen – das würden andere ihm raten. Aber das konnte er nicht. Er schaute ihr in die Augen, und seine eigenen Augen wurden sehr groß, groß genug vielleicht, um zornig zu wirken, obwohl er das überhaupt nicht wollte.
    »Rowan, meine Geliebte«, sagte er. »Ich weiß, daß du hättest bei ihm bleiben können. Ich weiß, daß du eine Wahl getroffen hast.«
    »Du bist mein Mann«, sagte sie. »Mein Mann, Michael.«
    Es wäre hübsch, sie auch die Treppe hinaufzutragen, aber das würde er nie schaffen, nicht alle neunundzwanzig Stufen – und wo waren die jungen Damen und Granny, die Wiederauferstandene? Nein, sie konnten sich jetzt nicht einfach zurückziehen – es sei denn, die ganze Bande wäre zu einem frühen Abendessen ausgeflogen.
    Er schloß die Augen und küßte sie noch einmal. Niemand konnte ihn hindern, das wenigstens ein Dutzendmal zu hin. Küssen. Und als er wieder aufschaute, sah er die rothaarige Schönheit am Ende des Flures, zwei, genau gesagt, die eine sehr, sehr groß, und die schelmische Mary Jane, die sich die blonden Zöpfe wieder um den Kopf geschlungen hatte, drei der hinreißendsten Hälse im ganzen Universum, solche jungen Mädchen sind wie Schwäne. Aber wer war diese neue Schönheit, so unglaublich groß – und sie sah aus, ja, sie sah genauso aus wie Mona!
    Rowan drehte sich um und starrte durch den Flur.
    Die drei Grazien waren es, die da vor der Eßzimmertür standen, und Monas Gesicht schien an zwei Stellen gleichzeitig zu sein. Das war keine Ähnlichkeit, das war eine Verdoppelung. Und wieso standen sie so still, alle drei, in ihren Baumwollkleidern, und wieso starrten sie wie aus einem Gemälde hervor?
    Er hörte, wie Rowan nach Luft schnappte. Er sah, wie Mona plötzlich losrannte und über den blankgebohnerten Boden auf ihn zukam.
    »Nein, du darfst nichts machen, du darfst nicht, du mußt zuhören.«
    »Lieber Gott«, sagte Rowan. Sie sank schwer gegen ihn und zitterte am ganzen Körper.
    »Sie ist mein Kind«, sagte Mona. »Meins und Michaels, und du wirst ihr nichts tun.«
    Und plötzlich brachen die Dinge über ihn herein, wie sie es manchmal tun, und ein ganzer Schwall von verschiedenen Bewußtseinszuständen rasselte übereinander, daß es ihm den Atem verschlug. »Das Kind« ist diese junge Frau. Die Riesenhelix hat es hervorgebracht. Es ist ein Taltos, so sicher, wie Ash ein Taltos ist, so sicher, wie da draußen zwei Taltos unter dem Baum liegen. Rowan wird ohnmächtig, sie wird umfallen, und der Schmerz in meiner Brust bringt mich um.
    Er klammerte sich an den Treppenpfosten.
    »Sagt es mir sofort, daß keiner von euch ihr etwas antun wird.«
    »Ihr etwas antun? Wie könnte ich das?« fragte Michael.
    Und dann fing Rowan an zu weinen, blubberte hoffnungslos in die geballten Hände. »O Gott.«
    Das große Mädchen hatte einen zittrigen Schritt getan, dann noch einen. Und jetzt, würde jetzt diese hilflose Stimme ertönen, die Kinderstimme, die er von der anderen gehört hatte, bevor der Schuß gefallen war? Ihm war schwindlig. Die Sonne verschwand wie aufs Stichwort, und die natürliche Dunkelheit kehrte in das Haus zurück.
    »Michael, setz dich, setz dich da auf die Treppe«, sagte Mona.
    »O Gott, ihm wird schlecht«, sagte Mary Jane.
    Und Rowan kam jäh wieder zu sich und schlang ihm die langen, tränennassen Finger um den Nacken.
    Und das große Mädchen sagte:
    »Nun, ich weiß, es ist ein schrecklicher Schock für euch beide, und Mutter und Mary Jane machen sich schon seit Tagen Sorgen, aber ich persönlich bin

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