Die Mayfair-Hexen
Fuße des Donnelaith Crag gefunden. Seine Pistole war zweimal abgefeuert worden.«
»Überreste?« wiederholte Stuart.
Tommy zuckte die Achseln. »Es hieß, wilde Tiere hätten an ihm genagt.«
»Dann könnt ihr euch also nicht sicher sein, daß er Yuri umgebracht hat?«
»Yuri ist nie ins Hotel zurückgekommen«, sagte Tommy. »Seine Sachen wurden nicht abgeholt. Yuri ist tot, Stuart. Die beiden Kugeln waren für Yuri bestimmt. Wie Lanzing zu Tode gekommen ist oder warum, ob ihn vielleicht ein wildes Tier angefallen hat – das wissen wir nicht. Aber Yuri Stefano gibt es nicht mehr, was uns angeht.«
»Begreifen Sie denn nicht, Stuart?« fragte Marklin. »Bis auf das Entkommen des Taltos hat alles ausgezeichnet funktioniert. Wir können uns jetzt zurückziehen und uns auf die Mayfair-Hexen konzentrieren. Wir brauchen vom Orden nichts mehr. Wenn die Abfangschaltungen je entdeckt werden sollten, wird niemand auf uns kommen.«
»Ihr fürchtet die Ältesten nicht, wie?«
»Es gibt keinen Grund, die Ältesten zu fürchten«, sagte Tommy. »Die Abfangschaltungen funktionieren vorzüglich. Das haben sie immer getan.«
»Stuart, wir haben aus unseren Fehlern gelernt«, sagte Marklin. »Aber vielleicht hat das, was passiert ist, auch seinen Sinn. Das meine ich nicht im sentimentalen Sinn. Aber schauen Sie sich das Gesamtbild an. Die richtigen Leute sind alle tot.«
»Redet mir nicht so plump von euren Methoden, alle beide nicht! Was ist mit unserem Generaloberen?«
Tommy zuckte die Achseln. »Marcus weiß nichts. Nur, daß er sich bald mit einem kleinen Vermögen wird zur Ruhe setzen können. Er wird später niemals das ganze Puzzle zusammen setzen können. Das wird niemand. Das ist ja das Schöne an unserm Plan.«
»Wir brauchen höchstens noch ein paar Wochen«, sagte Marklin. »Um uns abzusichern.«
»Ich weiß nicht«, sagte Tommy. »Vielleicht wäre es klug, die Abfangschaltungen schon jetzt zu entfernen. Wir wissen alles, was die Talamasca über die Familie Mayfair weiß.«
»Nicht so hastig, nicht so selbstsicher«, warnte Stuart. »Was geschieht, wenn eure gefälschten Korrespondenzen entdeckt werden?«
»Sie meinen, unsere gefälschten Korrespondenzen?« verbesserte Tommy. »Im allerschlimmsten Fall gibt es ein wenig Verwirrung, vielleicht auch eine kleine Untersuchung. Aber niemand könnte die Briefe oder auch die Abhöranlagen zu uns zurückverfolgen. Deshalb ist es ja so wichtig, daß wir loyale Novizen bleiben und jetzt nichts tun, was Verdacht erregen könnte.«
Tommy warf Marklin einen Blick zu. Es funktionierte. Stuarts Haltung hatte sich geändert. Er gab wieder die Anweisungen… beinahe.
»Stuart, wir brauchen jetzt Ihre Führung«, sagte Marklin. »Die erregendste Phase liegt noch vor uns.«
»Still«, sagte Stuart. »Ich will euch beide anschauen, damit ich zu einem Urteil kommen kann.«
»Bitte tun Sie das, Stuart«, sagte Marklin, »und stellen Sie fest, daß wir tapfer und jung sind, jawohl, jung und dumm vielleicht, aber tapfer und engagiert.«
»Mark will damit sagen«, warf Tommy ein, »daß wir jetzt in einer besseren Lage sind, als wir hätten erwarten können. Lanzing hat Yuri erschossen und ist dann zu Tode gestürzt. Stolov und Norgan sind nicht mehr da. Sie waren immer nur lästig, und sie wußten zuviel. Die Männer, die angeheuert wurden, um die andern umzubringen, kennen uns nicht. Und wir stehen da, wo wir angefangen haben: in Glastonbury.«
»Und Tessa ist in unserer Hand, und niemand weiß das außer uns dreien.«
»Beredsamkeit.« Stuart flüsterte fast. »Mehr zeigt ihr mir nicht. Beredsamkeit.«
»Poesie ist Wahrheit, Stuart«, sagte Marklin. »Sie ist die höchste Wahrheit, und Beredsamkeit ist ihr Attribut.«
Eine Pause trat ein. Marklin mußte Stuart von diesem Hügel hinunterbringen. Schützend legte er ihm den Arm um die Schultern, und zu seiner großen Erleichterung ließ Stuart es zu.
»Lassen Sie uns hinuntergehen, Stuart«, sagte Marklin. »Lassen Sie uns zu Abend essen. Wir frieren, und wir haben Hunger.«
»Wenn wir es noch einmal tun müßten«, sagte Tommy, »würden wir es besser machen. Wir hätten diese Leute nicht umbringen müssen. Es wäre vielleicht eine größere Herausforderung gewesen, wissen Sie, unser Ziel zu erreichen, ohne jemanden wirklich zu verletzen.«
Stuart schien gedankenverloren; er warf Tommy nur einen abwesenden Blick zu. Ein schneidender Wind kam auf, und Marklin fröstelte. Wenn er schon fror, wie mußte Stuart sich
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