Die Mayfair-Hexen
wütend.«
»Nein«, sagte er. »Ich habe aufgehört, wütend zu sein, als du nachgegeben hast.«
Aber das stimmte nicht. Er war bis ins Mark gekränkt, weil sie vorgehabt hatte, ohne ihn wegzufahren, weil sie ihn nicht als Gefährten für diese Reise gesehen hatte, sondern als eine Art Hüter des Hauses und des Babys in Monas Bauch.
Nun, Kränkung bedeutete Wut, oder?
Sie hatte sich abgewandt und schaute nach vorn; so war es vielleicht ungefährlich, sie anzusehen. Sie war immer noch zu dünn, viel zu dünn, aber ihr Gesicht war nie hübscher gewesen. Das schwarze Kostüm, das sie trug, die Perlen, die hohen Absätze – das alles verlieh ihr einen trügerisch ruchlosen Glamour. Aber sie brauchte diese Sachen nicht. Ihre Schönheit lag in der Reinheit – in den Knochen ihres Gesichts, in den dunklen, geraden Augenbrauen, die ihre Miene so lebhaft bestimmten, und in ihrem weichen, breiten Mund, den er jetzt gern geküßt hätte, mit dem brutalen männlichen Verlangen, sie zu wecken, ihre Lippen zu teilen, sie in seinen Armen wieder dahinschmelzen zu lassen, sie zu besitzen.
Das war für alle Zeit die einzige Art, sie zu besitzen.
Sie hob die Hand und drückte auf den Knopf, der die ledergepolsterte Trennwand zum Fahrer nach oben gleiten ließ. Dann wandte sie sich zu Michael um.
»Ich hatte unrecht«, sagte sie ohne Bitterkeit, aber auch nicht flehentlich. »Du hast Aaron geliebt. Du liebst mich. Du liebst Mona. Ich hatte unrecht.«
»Du brauchst nicht noch mal davon anzufangen«, sagte er. Es fiel ihm schwer, ihr in die Augen zu schauen.
»Aber eines mußt du verstehen«, sagte sie. »Ich habe nicht die Absicht, mit den Leuten, die Aaron ermordet haben, freundlich oder gesetzestreu umzugehen. Und ich gedenke nicht, mich vor irgend jemandem für das, was ich tue, zu verantworten – nicht einmal vor dir, Michael.«
Er lachte und sah ihr in die großen, kühlen grauen Augen. Ob es das war, was ihre Patienten gesehen hatten, wenn sie aufschauten, bevor die Narkose einsetzte?
»Das weiß ich, Honey«, sagte er. »Wenn wir dort sind, wenn wir Yuri treffen, dann will ich nur eins: Wissen, was er weiß. Ich will dabei sein. Ich behaupte nicht, deine Fähigkeiten zu haben oder deinen Mut. Aber ich will dabei sein.«
Sie nickte.
»Wer weiß, Rowan«, meinte er. »Vielleicht findest du noch eine Verwendung für mich.« Jetzt war der Zorn doch herausgekommen. Es war zu spät, er konnte es nicht mehr zurücknehmen. Er wußte, daß er rot geworden war, und wandte sich ab.
Als sie jetzt sprach, tat sie es mit der geheimen Stimme, die nur er kannte, und in den letzten Monaten hatte sie eine neue Gefühlstiefe gewonnen.
»Michael, ich liebe dich. Aber ich weiß, daß du ein guter Mann bist. Und ich bin keine gute Frau mehr.«
»Rowan, das meinst du nicht ernst.«
»O doch. Ich war bei den Kobolden, Michael. Ich war ganz unten im inneren Zirkel.«
»Und du bist zurückgekommen.« Er sah sie wieder an und bemühte sich, die Gefühle, die aus ihm hervorzubrechen drohten, unter Kontrolle zu halten. »Du bist wieder Rowan, und du bist hier, und es gibt andere Dinge, für die es sich zu leben lohnt, nicht nur die Rache.«
Das war es, nicht wahr? Nicht er hatte sie aus ihrem Wachschlaf geweckt. Es war Aarons Tod gewesen, der sie zu ihnen zurückgebracht hatte.
Die Kränkung schmerzte so sehr, daß er sie nicht im Zaum halten konnte.
»Michael, ich liebe dich«, sagte sie. »Ich liebe dich sehr. Und ich weiß, was du gelitten hast. Glaube nicht, daß ich es nicht wüßte, Michael.«
Er nickte. Das wenigstens gestand er ihr zu.
»Aber glaube nicht, daß du weißt, wie es ist, der Mensch zu sein, der ich bin. Ich war bei der Geburt dabei, denn ich war die Mutter. Ich war die Ursache, könnte man sagen. Ich war das unentbehrliche Werkzeug. Und ich habe dafür bezahlt. Ich habe bezahlt und bezahlt und bezahlt. Und ich bin nicht mehr dieselbe. Ich liebe dich, wie ich dich immer geliebt habe; meine Liebe zu dir hat nie in Frage gestanden. Aber ich bin nicht mehr dieselbe, und ich kann nicht mehr dieselbe sein; das wußte ich, als ich da draußen im Garten saß, außerstande, deine Fragen zu beantworten oder dich anzuschauen oder dich zu umarmen. Ich wußte es. Und doch liebte ich dich, und ich liebe dich noch immer. Kannst du mir folgen?«
Er nickte.
Er fühlte, wie sein Körper sich entspannte und beinahe müde wurde. Er lehnte sich zurück. Und dann sah er sie wieder an.
Sie hatte sich nicht abgewandt. Sie sah weder
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