Die Mayfair-Hexen
sagen?«
»Weil ich hören wollte, was Sie dazu zu sagen haben. Weil ich wissen wollte, ob Sie die Hände im Spiel hatten, als er ermordet wurde.«
»Was?«
»Sie haben gehört, was ich gesagt habe, oder?«
»Er wurde ermordet?« Sie stand langsam auf und sah ihn kalt an, zumal nachdem sie jetzt gesehen hatte, wie groß er wirklich war. Sie warf einen Blick zur Tür – ja, sie schien darauf zu gehen zu wollen -, aber er hob sanft die Hand und bat sie damit um Geduld.
Sie bedachte diese Geste.
»Sie wollen sagen, daß Aaron von jemandem ermordet wurde?« Ihre dichten Brauen runzelten sich über dem silbernen Brillengestell.
»Ja. Ermordet. Absichtlich mit einem Auto überfahren.«
Jetzt schloß die Frau die Augen. Als sie sie wieder öffnete, blickte sie stumpf geradeaus, anscheinend ohne einen Gedanken an ihn zu verlieren. Schließlich hob sie den Kopf.
»Die Mayfair-Hexen«, sagte sie in rauhem, dunklem Flüsterton. »Gott, warum mußte er da hingehen?«
»Ich glaube nicht, daß es die Hexen waren«, sagte er.
»Wer dann?«
»Jemand von hier, aus dem Orden.«
»Das meinen Sie doch nicht im Ernst! Sie wissen ja nicht, was Sie da reden! Niemand von uns würde so etwas tun.«
»Ich weiß durchaus, was ich da sage. Yuri, der Zigeuner, hat gesagt, es war einer von Ihnen, und Yuri würde in einer solchen Angelegenheit nicht lügen. Yuri lügt überhaupt nicht, soweit ich es feststellen kann. Überhaupt nicht.«
»Yuri. Sie haben Yuri gesehen. Sie wissen, wo er ist?«
»Sie nicht?«
»Nein. Eines Nachts ging er fort, und mehr weiß niemand. Wo ist er?«
»Er ist in Sicherheit, allerdings nur durch Zufall. Dieselben Schurken, die Aaron ermordet haben, wollten auch ihn umbringen. Sie mußten.«
»Wieso?«
»Sie sind in all dem unschuldig?« Aber er war schon überzeugt.
»Ja! Warten Sie! Wo wollen Sie hin?«
»Ich will die Mörder finden. Bringen Sie mich zum Generaloberen. Ich kannte einmal den Weg, aber alles verändert sich. Ich muß ihn sprechen.«
Sie ließ sich nicht zweimal bitten, sondern huschte an ihm vorbei und winkte ihm, ihr zu folgen. Ihre klobigen Absätze machten laute Geräusche auf dem gebohnerten Boden, als sie den Korridor hinuntermarschierte.
Sie schienen eine Ewigkeit zu gehen, bis sie schließlich am gegenüberliegenden Ende des Hauptkorridors angekommen waren. Die Doppeltür. Er erinnerte sich an sie. Nur war sie früher nicht so blankpoliert gewesen. Sie war mit altem Öl eingerieben worden.
Sie hämmerte an die Tür. Damit würde sie womöglich das ganze Haus aufwecken. Aber er wußte nicht, wie er es sonst anfangen sollte.
Als die Tür sich öffnete, trat sie ein und drehte sich sehr unvermittelt zur Seite, um dem Mann dort drinnen zu zeigen, daß jemand bei ihr war.
Der Mann schaute wachsam zur Tür, und als er Ash sah, wandelte sich seine Miene, und aus dem Erstaunen wurde Schreck und unmittelbar darauf Verstohlenheit.
»Sie wissen, was ich bin, nicht wahr?« sagte Ash leise.
Er drängte sich rasch ins Zimmer und schloß die Tür hinter sich. Es war ein großes Büro mit einem benachbarten Schlafzimmer. Alles war ein bißchen unordentlich; die verstreut stehenden Lampen verbreiteten mattes Licht. Der Kamin war kalt.
Die Frau beobachtete ihn mit unverändert wildem Blick. Der Mann war zurückgewichen, als wolle er sich vor etwas Gefährlichem in Sicherheit bringen.
»Ja, Sie wissen es«, sagte Ash. »Und Sie wissen auch, daß sie Aaron Lightner ermordet haben.«
Der Mann war nicht überrascht, sondern nur zutiefst beunruhigt. Er war groß und schwer, aber gesund, und er wirkte wie ein empörter General, der weiß, daß er in Gefahr schwebt. Er versuchte gar nicht erst, so zu tun, als sei er überrascht. Die Frau sah es wohl.
»Ich wußte nicht, daß sie es tun würden. Sie haben mir gesagt, Sie seien tot, vernichtet.«
»Ich?«
Der Mann wich weiter zurück. Jetzt hatte er Angst. »Ich war es nicht, der den Befehl gegeben hat, Aaron zu ermorden. Ich weiß nicht einmal, welchen Zweck dieser Befehl haben sollte, oder warum man Sie hier haben wollte. Ich weiß so gut wie gar nichts.«
»Was hat das alles zu bedeuten, Anton?« fragte die Frau. »Wer ist diese Person?«
»Person. Person. Was für ein unangemessenes Wort«, antwortete der Mann, der Anton hieß. »Du siehst hier etwas vor dir, das…«
»Sagen Sie mir, welche Rolle Sie bei der Sache gespielt haben«, forderte Ash ihn auf.
»Gar keine«, erwiderte der Mann. »Ich bin hier der Generalobere. Ich wurde
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