Die McDermotts 02 - Manchmal
auf und hielt den Finger unters kalte Wasser. »Ich dachte nur, Sie würden vielleicht gern schwimmen gehen«, sagte er reserviert, ohne sie dabei anzusehen.
»Sicher, vielen Dank.« Still lächelte sie in sich hinein. »In Zukunft werde ich mich auch bemühen, etwas leiser zu sein.«
Den Sonntag verbrachte Melody mit Malen. Mit dem Skizzenblock auf dem Schoß saß sie auf ihrem Balkon und zeichnete munter drauf los. Gegen Mittag ging sie nach unten und bereitete das Essen zu. Adrian saß in seinem Arbeitszimmer, sie konnte ihn auf der Tastatur seines Laptops herumklappern hören. Nachdem sie den Tisch gedeckt und den Topf mit dem Chili vom Herd genommen hatte, lief sie zu ihm hinüber. Unbemerkt stand sie in der Tür und beobachtete ihn einen Moment. Wie üblich trug er einen dunkelgrauen Anzug, allerdings ohne Jackett, und ihr fiel auf, dass sich unter seinem weißen Hemd breite Schultern und ein muskulöser Brustkorb abzeichneten. Die fast schwarzen, kurzgeschnittenen Haare waren wie immer ordentlich gekämmt, seine grauen Augen blickten aufmerksam durch die Lesebrille auf den Bildschirm, sie bemerkte ein kleines Grübchen in seinem energischen Kinn.
»Sie arbeiten viel zu viel«, stellte sie laut fest und riss ihn aus seiner Konzentration. »Wenn Sie so weitermachen, werden Sie spätestens mit dreißig an einem Herzinfarkt sterben.«
»Dann müsste ich bereits seit zwei Jahren tot sein«, erwiderte er trocken und setzte die Brille ab.
Überrascht starrte sie ihn an. »Sie sind schon zweiunddreißig?«
Er stand auf und kam auf sie zu. »Geschockt?«, fragte er spöttisch. »Offenbar hält mich die Arbeit jung.«
»Da wüsste ich aber angenehmere Dinge«, platzte sie ohne nachzudenken heraus.
Seine Augenbraue wanderte nach oben, während er sie durchdringend anschaute. »Zum Beispiel?«
»Essen«, betonte sie hastig und ging in die Küche, »das Essen ist fertig.«
Mit einem kleinen Lächeln schaute er ihr hinterher, schüttelte dann den Kopf, folgte ihr und setzte sich an den Tisch.
»Gut, Melody Foster«, sagte er, nachdem sie eine Weile schweigend gegessen hatten, »erzählen Sie mir etwas von sich.«
»Was?«
»Mich interessiert, wer Sie sind, und was Sie normalerweise tun, wenn Sie gerade nicht damit beschäftigt sind, fremde Autos zu Schrott zu verarbeiten.«
»Nun, da gibt es eigentlich nicht viel zu sagen«, begann sie zögernd. »Ich bin Melody Foster, meine Freunde nennen mich Mel. Ich bin dreiundzwanzig Jahre alt und komme aus New Orleans.«
»Erzählen Sie mir etwas, was ich noch nicht weiß«, verlangte er und seine grauen Augen hefteten sich durchdringend auf ihr Gesicht. »Haben Sie Familie?«
»Ja, eine Halbschwester«, bekannte sie aufrichtig und fügte dann schnell hinzu: »Aber ich habe keinen Kontakt mehr zu ihr.«
»Und Ihre Eltern?«
»Mein Vater lebt im Ausland, meine Mutter und ihr zweiter Mann kamen bei einem Autounfall ums Leben«, erklärte sie wahrheitsgemäß.
»Was haben Sie bisher beruflich gemacht?«
»Ich … äh … mal dieses, mal jenes«, druckste sie herum.
Auf keinen Fall durfte sie ihm die Wahrheit sagen, ihm würde sofort klar sein, dass sie für sein Vorzimmer genauso wenig qualifiziert war wie ein Elefant fürs Mäusefangen.
»Sind Sie jetzt fertig mit Ihrem Verhör?«, fragte sie flapsig, bevor er weiter nachhaken konnte. »Oder möchten Sie auch noch wissen, ob ich einen Freund habe?«
»Haben Sie denn einen?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Nicht verliebt, nicht verlobt, nicht verheiratet.«
Zum ersten Mal, seit sie sich kennengelernt hatten, sah sie ihn lächeln. Fasziniert starrte sie ihn an, stellte fest, dass er unglaublich anziehend aussah.
»Das sollten Sie öfter tun«, entfuhr es ihr.
»Was?«, fragte er irritiert.
»Lächeln. Sie wirken sehr attraktiv, wenn Sie lächeln.«
»Tatsächlich?« Seine Augen funkelten. »Ich werde es mir merken.« Er beugte sich ein Stück zu ihr und schaute sie aufmerksam an. »Sie sind eine seltsame Frau, Melody Foster. Sprechen Sie eigentlich immer aus, was Sie denken?«
Ihr Herz klopfte ein wenig, während sie versuchte, seinem durchdringenden Blick standzuhalten. »Manchmal.«
13
Die ersten beiden Tage, die Melody alleine im Vorzimmer arbeitete, verliefen ruhig und ohne größere Zwischenfälle. Sie nahm die Telefonate für Adrian entgegen, stellte die wichtigen Gespräche zu ihm durch, notierte die übrigen. Gewissenhaft sortierte sie die Post, brachte sie ihm ins Büro, und fertigte anhand
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