Die Medizinfrau
Sie brauchen viel Schlaf.«
Ellen schien nicht im geringsten verärgert, Olivia im Bett ihres Vaters vorzufinden. Im Gegenteil, sie sah aus wie eine Katze, die eine Schale Schlagsahne verspeist hatte. Summend schlug sie den Teig und stellte die Pfanne auf den Rost.
»Ich geh zum Schacht und hole Pa und Katy«, erklärte sie, nachdem Olivia sich gewaschen, angezogen und gekämmt hatte.
Olivia schüttelte das Bett auf und hielt den Atem an, als sie dunkle Flecken auf dem Laken entdeckte – jungfräuliches Blut, und die blutende Jungfrau war sie gewesen. Beim Klang der sich nähernden Stimmen legte sie hastig die Bettdecke und den Überwurf über die verräterischen Flecken, zupfte und strich alles gerade, bis das Bett aussah, als sei es nie berührt, geschweige denn als Liebeslager benützt worden. Die letzte Falte war geglättet, als die Zwillinge mit ihrem Vater in die Hütte stürmten.
Olivia drehte sich um und kam sich wie ertappt vor. Gabriel blieb an der Tür stehen und schaute sie an, als wolle er sie zum Frühstück verschlingen.
»Ihr seid beide völlig verdreckt!« Ellen schob die Schwester und den Vater wieder zur Tür hinaus. »Wascht euch gefälligst, bevor ihr euch zu Tisch setzt.«
Katy entwischte der Schwester, rannte zum Tisch und schnappte sich ein knuspriges Stück Speck.
»Laß das, Katy! Nimm deine schmutzigen Finger weg!«
»Das bringt schon keinen um.«
»Geh und wasch dich!«
»Ich wasch mich im Spülbecken.« Damit nahm sie den Wasserkessel vom Haken über dem Feuer.
Ellen warf ihrem Vater einen strengen Blick zu, der ergeben seine schmutzigen Hände hob und rückwärts nach draußen ging. »Jawohl! Ich geh ja schon!«
Dabei ließ er Olivia nicht aus den Augen, und sein glühender Blick zog sie an wie ein Magnet. »Ich bring dir ein sauberes Hemd«, murmelte sie und starrte immer noch auf die Tür, als er gegangen war.
»Olivia!«
Ellens Stimme weckte sie aus ihrer Trance.
»Pa’s Hemden sind dort drüben.« Ellen deutete auf eine Holztruhe.
Gabe hatte die Eisschicht auf dem Waschtrog zerbrochen und schwappte kaltes Wasser über seinen nackten Oberkörper, als Olivia mit sauberen Sachen aus der Hütte trat. Sein tropfnasses Haar glitzerte in der Morgensonne. Kleine Bäche liefen seine Brust und den flachen, muskulösen Bauch hinunter und versickerten aufreizend im Hosenbund. Es kostete sie übermenschliche Anstrengung, ihren Blick nicht folgen zu lassen.
Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Wie sollte eine Frau einen Mann auch ansprechen, der unendlich anstößige, intime Dinge mit ihr angestellt hatte. Wie konnte eine Frau wieder in die Rolle einer züchtigen, sittenstrengen Dame schlüpfen, nachdem sie sich wenige Stunden zuvor als zügellose, entfesselte Hure aufgeführt hatte?
Gabriel trocknete sich mit einem Handtuch ab, nahm das langärmlige Unterhemd, das sie ihm stumm hinhielt und zog es schnell über den Kopf. Ohne die geringste Verlegenheit knöpfte er seine Hose auf und steckte es hinein.
Olivia errötete, als ihre Augen sich magisch angezogen auf den offenen Hosenlatz hefteten. Das Atmen fiel ihr mit einem Mal schwer, und in ihrem Bauch floß eine träge Hitze wie flüssiger Honig.
»Guten Morgen.« Seine Stimme brach den Bann. Ihre Wangen brannten. Sie war überzeugt, daß ihr Gesicht feuerrot war, als sie die Augen hob. Unter halb gesenkten Lidern blickte er sie voll Zärtlichkeit und tiefer Wärme an.
»Guten Morgen«, antwortete sie leise. »Du hast deinen Verband abgenommen.«
»Ich habe ihn gar nicht gebraucht.«
Grinsend nahm er das Hanellhemd und gleichzeitig ihre Hand und zog sie in seine Arme. Mit einem Finger hob er ihr Kinn. »Wie geht es dir?«
»Mir … mir geht’s ganz gut.«
»Wirklich?«
»Ja. Natürlich.«
»Wund?«
Olivia spürte, wie ihr Gesicht noch heißer wurde. »Ja.«
»Ich auch.«
»Ach? Ich wußte nicht, daß Männer …«
»Ja. Auch wir.« Er grinste tückisch. »Ich nehme nicht an, daß du eine Wundsalbe in deiner Arzttasche hast, mit der du mein entzündetes Organ einreiben könntest, um den Schmerz zu lindern.«
Ihre Augen weiteten sich. »Du bist schamlos!«
»Du auch. Wunderbar schamlos, und ich liebe dich dafür.« Er küßte sie. Kein scheuer Gutemorgenschmatz, sondern ein hungriger Überfall. Seine Zunge drang zwischen ihre Lippen und ergriff von ihrem Mund Besitz. Stöhnend sehnte sie sich danach, ihn wieder zwischen ihren Beinen zu empfangen. Die Schwellung, die seine Hose bauschte, ließ keinen
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