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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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grinste frech. »Draußen ist es kalt.«
    Katys Augen schwammen in Tränen.
    »Ellen, ich hab’ heute noch nicht nach den Hühnern gesehen«, kam Olivia Katy zu Hilfe, »würdest du es für mich tun?«
    »Es ist zu kalt. Sie legen nicht.«
    »Schau bitte trotzdem nach.«
    Mit einem Stoßseufzer und einem finsteren Blick zu Katy legte sie ihre Näharbeit beiseite, zog den Mantel an und ging.
    »Also, Katy. Was ist los?«
    »Ich bin furchtbar krank.«
    Olivia legte ihr die Hand auf die Stirn. »Fieber hast du nicht. Fühlst du dich nicht wohl?«
    »Ich habe Bauchweh, und … und …« Nun quollen die Tränen über und liefen über die schmutzigen Kinderwangen.
    »Und was? Mußt du dich übergeben?«
    »Nein. Ich blute ganz schrecklich.« Ihre Stimme senkte sich zu einem ängstlichen Flüstern. »Ich blute … da unten.«
    Olivia unterdrückte mit Mühe ein Lächeln. Diese Phase in der Entwicklung zur Frau war Katy offenbar völlig neu und machte ihr fürchterliche Angst, sie, die nie Angst zuließ.
    »Katy, du bist nicht krank.«
    »Was meinen Sie? Ich muß sterben. Ich habe furchtbare Bauchschmerzen und blute wie eine Hirschkuh mit einem Bauchschuß.«
    »Hat deine Mutter dir nie etwas von den Monatsblutungen einer Frau erzählt?«
    »Was?«
    »Setz dich, Kind. Ich erkläre dir alles. Und während wir uns unterhalten, zerreißen wir diese Stoffetzen in schmale Streifen, die du dir vorlegst, damit du deine Unterwäsche nicht schmutzig machst.«
    Eine halbe Stunde später und nach hundert Fragen war Katy schließlich davon überzeugt, daß sie nicht sterben würde, obwohl sie nicht glücklich war bei dem Gedanken, diese Schweinerei und die Schmerzen nun jahrelang jeden Monat ertragen zu müssen.
    »Damit müssen Frauen sich einfach abfinden, Katy. Es ist der Preis, den wir für unsere Weiblichkeit bezahlen müssen.«
    Katy stieß einen verächtlichen Laut aus. »Wenn man einen Preis bezahlt, kriegt man doch etwas dafür. Was ist denn gut daran, eine Frau zu sein?«
    »Nun, mein Kind, Weiblichkeit hat schon einige Vorzüge, auch wenn man sie manchmal suchen muß.«
    »Nennen Sie mir einen.«
    Olivia lächelte bei dem Gedanken an ihr Glücksgefühl in Gabriels Armen, bei dem Gedanken an das Leuchten in den Gesichtern der Frauen, die unter großen Schmerzen ein Kind zur Welt gebracht hatten. Sie dachte an Amy, die sich sehnlichst ein Kind wünschte. Sie dachte an ihre Schulkameradinnen im Pensionat von Miß Tatterhorn, wenn sie über Mädchengeheimnisse tuschelten und über die neueste Mode plauderten. Doch für solche Dinge hätte Katy kein Verständnis aufgebracht. Sie würde ihre Weiblichkeit erst schätzen lernen, wenn sie erwachsener und reifer wurde. Lernte doch Olivia selbst erst jetzt ihre Weiblichkeit kennen.
    »Mit der Zeit wirst du selber dahinterkommen, glaub mir, Katy. Und außerdem bist du nun mal eine Frau, daran kannst du nichts ändern. Wir alle müssen das beste aus dem machen, was uns bestimmt ist.«
    Katy schnitt eine Grimasse.
    »Und was die lästigen Blutungen betrifft, so habe ich festgestellt, daß der Schmerz nur länger dauert, wenn man sich damit ins Bett legt. Es wäre aber auch nicht besonders klug, wenn du in diesen Tagen reitest oder anstrengende körperliche Arbeit machst.«
    »Was? Soll ich etwa drin bleiben und in der Küche helfen?« Diese Möglichkeit erschien ihr die grausamste aller Foltern.
    »Wir beide könnten den Tag damit verbringen, dir ein Kleid zu nähen, um das Ereignis zu feiern.«
    »Was gibt’s denn daran zu feiern?!«
    »Du wirst erwachsen, Katy. Wenn du die Vorteile des Frauseins entdecken willst, mußt du deine weiblichen Seiten erforschen. Das heißt ja nicht, daß du alles, was dir Spaß macht, aufgeben mußt. Deine Hosen nimmt dir keiner weg.«
    »Ein Kleid?«
    Olivia freute sich über den Funken Interesse in Katys Augen.
    Ellen, Olivia und Katy verbrachten den Rest des Tages damit, ein Kleid nach einem alten Schnittmuster, an das Olivia sich aus ihrer Schulzeit erinnerte, zu schneidern – hoffnungslos altmodisch, wie sie vermutete, doch die Bergmatten unter dem Thunder Ridge waren schließlich nicht Paris oder New York. Ellen und Olivia nähten, und Katy mußte anprobieren. Sie maulte über die Rüschen und eine Schleife am Rücken und ließ nur wenige Spitzen am Kragen zu. Die langen Ärmel mußten außerdem weit genug sein, damit sie sich richtig bewegen konnte, meinte sie.
    Das Ergebnis war ein schlichtes Kleid, das freilich eine erstaunliche Verwandlung an

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