Die Medizinfrau
Zweifel daran, daß auch er bereit war, ihr Verlangen zu stillen.
»Heute abend«, raunte er an ihrem Ohr, und süße Schauer rieselten ihr den Rücken entlang. »Ich kann es kaum erwarten.«
Ein Kichern brachte beide wieder zur Vernunft. Sie wandten die Köpfe und sahen gerade noch vier schwarze Zöpfe um die Ecke flitzen.
Olivia schüttelte den Kopf. »Ich verstehe deine Töchter nicht.«
»Das ist bei Kindern oft so.«
»Die ganze Zeit haben sie mich behandelt wie eine böse Intrigantin, die es nur darauf abgesehen hat, dich zu verführen, und jetzt ist es passiert, und die zwei kichern vor Glück und behandeln mich, als gehöre ich zur Familie.«
»Bemüh dich nicht, meine Zwillinge zu verstehen«, riet Gabe. »Gott hat sie geschaffen, und nur er weiß, was in ihren kleinen Köpfen vorgeht.« Er kniff sie zärtlich in den Po. »Und was heißt hier eigentlich, du hast mich verführt? Bleib bei der Wahrheit.«
Sie hob eine Augenbraue. »War ich denn gar nicht daran beteiligt?«
»Und ob du daran beteiligt warst. Aber du warst die Verführte, mein Liebes, und ich der Verführer. Wenn du dich in der Kunst der Verführung üben willst, überlasse ich dir diese Rolle gern heute nacht.«
Arm in Arm gingen sie zur Hütte, angelockt vom Duft gebratener Speckpfannkuchen. Olivia hätte am liebsten wie eine Lerche an einem hellen Frühlingsmorgen gesungen.
Die folgenden Tage waren die friedlichste Zeit, die Olivia je erlebt hatte. Neujahr kam und ging unbemerkt. Gabriel verbrachte viele Stunden im Stollen und brach das Erz aus der neuen Silberader, die ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Katy half ihm oft; und wenn sie nicht in der Mine arbeitete, hackte sie Holz und stapelte es auf, reparierte den Zaun der Maultierkoppel, versorgte die Pferde oder verschloß die Ritzen zwischen den Holzbalken der Hütte mit Moos, damit die Kälte nicht eindrang.
Olivia machte sich nach wie vor Sorgen um Amy, genoß aber auch die Tage stillen Glücks. Es gab ihr ein gutes Gefühl, einen Haushalt zu führen und fast alles, was man zum Leben brauchte, selbst zu machen. Sie probierte eine neue Gewürzmischung für das Elchfleisch aus und wurde von Ellen dafür gelobt. Ihr Hefebrot und die Brötchen gelangen beinahe so gut wie die von Ellen. Auch Katy beteiligte sich an ihrer Ausbildung und unterwies sie jeden Tag wenigstens eine halbe Stunde im Umgang mit Gabriels Flinte an der Schießscheibe. Anfangs lachte Katy sie aus, war aber eine gute Lehrerin. Beinahe so groß wie Olivia, konnte sie ihr zeigen, wie sie das Gewehr ruhig halten und ihr Ziel anvisieren mußte.
Die Tage verliefen friedlich und angenehm. Doch Olivia lebte für die Nächte. In Gabriel Danahers Armen genoß sie die Leidenschaft, die sie umfing und in ihr floß, sie badete in der Glut seiner Augen und entflammte in der wunderbaren Hitze ihrer gemeinsamen Erregung. Sie fühlte sich beschützt, geliebt, geborgen und begehrt. Etwas in ihr wußte, daß die Welt, die sie sich erschaffen hatten, eine Scheinwelt war; doch eine stärkere Kraft in ihr verdrängte solche Gedanken. Eingehüllt in die Dunkelheit, erwärmt vom Feuer der Liebe, erschufen sie und Gabriel sich eine Welt, in der es nur sie beide gab, eine Welt, in der sie bestimmten, was wirklich und richtig war.
Olivia war nicht die einzige, der sich in diesen Wochen eine neue Welt eröffnete. An einem verschneiten Morgen kam Katy in die Hütte, die Hälfte des Brennholzes blieb draußen liegen. Sie wanderte herum, machte sich am Feuer zu schaffen, spielte ein paar Minuten mit Hunter, fütterte Ellens Streifenhörnchen, dessen Verschlag in sicherer Entfernung vor dem Zugriff des jungen Wolfes untergebracht worden war.
»Wann läßt du es denn frei?« fragte Katy ihre Schwester, die an einer zweiten Mütze nähte, aus dem Pelz der Hasen, die Katy am Tag des Stollensturzes heimgebracht hatte.
»In ein paar Tagen. Olivia meint, sein Fuß ist wieder heil.«
»Aha.«
Katy schlenderte herum, warf scheue Blicke in Olivias Richtung. Schließlich wandte sie sich an Olivia mit zusammengepreßten Lippen und einem finsteren Stirnrunzeln.
»Olivia … ähm …«
»Ja, Katy?«
»Was machen Sie da?«
»Ich flicke ein Hemd deines Vaters.«
»Aha.« Mit dem Schürhaken stocherte sie im Feuer herum, dann straffte sie entschlossen die Schultern. »Ich überlege … also …«
»Was gibt’s, Katy?«
Katy warf Ellen einen Blick zu und wurde rot. »Hast du nicht was anderes zu tun – vielleicht draußen?«
Ellen
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