Die Medizinfrau
nicht heiraten werde. Viele Ärztinnen heiraten und haben Kinder.«
Das hörte sie gar nicht gern.
»Ellen, willst du mir vielleicht erklären, was das mit den Brötchen gestern abend sollte?«
Ellens Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie wußte es! Natürlich wußte sie es. Die Frau war ja nicht dumm. »Haben Sie es Pa gesagt?«
»Nein, jedenfalls bis jetzt noch nicht. Ich dachte, wir sollten darüber reden. Was hast du in den Teig getan?«
»Asche aus dem Kamin.«
»So etwas habe ich mir fast gedacht.«
»Ich habe Asche mit Salz und Backpulver vermischt. Sie war ganz weiß, deshalb haben Sie es nicht bemerkt.«
»Weißt du eigentlich, daß wir alle krank hätten werden können?«
Daran hatte Ellen nicht gedacht.
»Und du hast mich bis in die Knochen blamiert, aber das war ja der Sinn der Sache.«
»Ähm … ja.«
Zu ihrem Erstaunen entspannte Olivias Mund sich zu einem leichten Lächeln. »Dein Vater ist dabei auch nicht gut weggekommen, nachdem er mit den Backkünsten seiner Frau geprahlt hatte.«
»Nein.« Auch das hatte Ellen nicht bedacht. Pa hatte ein ziemlich dummes Gesicht gemacht, und das fand er wohl nicht so komisch. Vermutlich setzte es mehr Prügel, als sie bisher angenommen hatte. »Werden Sie es Pa sagen?«
Olivia schaute Ellen lange und nachdenklich an, und je länger dieser Blick dauerte, desto unbehaglicher fühlte Ellen sich in ihrer Haut. Vielleicht war die Idee mit der Asche im Teig doch nicht so umwerfend.
»Leg ein paar Scheite aufs Feuer, damit wir es warm haben, wenn wir reden.« Mit ungewohntem Eifer gehorchte Ellen und setzte sich dann auf den Hocker vor den Kamin. Olivia nahm im Lehnstuhl Platz. »Ich weiß noch nicht, ob dein Vater die Sache wissen soll. Vielleicht sollten wir das unter uns ausmachen.«
Was wollte sie von ihr? fragte Ellen sich argwöhnisch.
»Ellen, wieso sagst du mir nicht, warum du schmollst wie ein zweijähriges Kind, und warum Katy mir ständig giftige Blicke zuwirft? Ich weiß, daß ihr Mädchen Angst gehabt habt, ich könne es auf euren Vater abgesehen haben – und ich dachte, dieses Mißverständnis geklärt zu haben. Wir seien quitt, und ihr hättet aufgehört, mir böse Streiche zu spielen.«
Ellen erinnerte sich nur zu gut, wie Olivia sich für die Streiche gerächt hatte.
»Und als Jeb und Slim hier auftauchten, glaubte ich, wir hätten einen Waffenstillstand geschlossen. Sollte ich mich geirrt haben?« Die Frau schimpfte und zeterte nicht, wie Ellen es erwartet hatte. Ihre wohlwollende Gelassenheit machte Ellen ein schlechtes Gewissen.
»Willst du mir sagen, was das alles auf sich hat?«
Ellen ließ den Kopf hängen. »Ich hab’ nicht begriffen, was der ganze Rummel soll«, murmelte sie. »Die haben sich wegen Ihnen geprügelt. Pa hat sich wegen Ihnen geprügelt.«
»Und …« ermunterte Olivia sie, fortzufahren.
»Und alle haben Sie für etwas Besonderes gehalten. Aber das sind Sie nicht … na ja, vielleicht doch. Aber für einen Mann sind Sie nichts Besonderes. Wenigstens nicht, wenn die wüßten, wer Sie wirklich sind. Ein Doktor und nicht die Frau von einem Mann, die kochen und waschen kann … und alles.«
Olivia konnte sich nur mühsam das Lachen verbeißen. Ellen fand ihre Worte mit Sicherheit nicht erheiternd.
»Und deshalb wollte ich denen zeigen, daß Sie den Rummel nicht wert sind.«
Olivia biß sich auf die Unterlippe. »Aha. Du warst eifersüchtig, deshalb wolltest du mich blamieren.«
»Ich war nicht eifersüchtig. Wieso soll ich eifersüchtig sein?«
»Ihr zwei habt immer noch Angst, daß ich nicht nach Elkhorn zurückgehe, stimmt’s?«
Ellen wußte nicht genau, wie ihre Schwester darüber dachte. Sie wußte nur, was sie selber fühlte. Und jedesmal, wenn ihr Vater mit Olivia redete oder sie ansah, versetzte es ihr einen Stich, und das kam immer öfter vor. Ihre Mutter hatte er nie geneckt; Olivia neckte er. Er hatte ihre Mutter oft angelächelt; aber Olivia lachte er an, oder er lachte sie aus. Für Ellen war das kein großer Unterschied. Ihr Vater hatte sich verändert, seit diese Olivia da war.
»Ich hab’ gesehen, wie Sie Pa einen Kuß gaben.«
»Als er den Elch häutete? Dein Vater wollte mich damit nur hänseln, Ellen. Du kennst ihn gut genug, um zu wissen, wie gern er sich über Leute lustig macht.«
»So ist er nur zu Ihnen«, widersprach Ellen. »Außerdem haben Sie ihn noch mal vor dem Ringkampf geküßt. Und das war ernst.«
Das Gesicht der Frau lief rot an. »Auch da hat dein Vater sich über mich
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