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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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Ellen so sehr liebte. Wahrscheinlich haßte sie alle. Die dumme Person war so sehr von ihrem Wunsch beseelt, zu ihrem Luxusleben zurückzukehren, daß sie gar nicht sah, was für ein wunderbarer Mann Ellens Vater war. Wenn sie je erfahren sollte, daß er vom Gesetz gesucht wurde, würde sie vermutlich sofort zum Sheriff rennen und ihn verraten.
    Nicht, daß Olivia sich Hoffnungen auf ihren Vater machen sollte. Um Himmels willen, nein. Ellen und Katy und ihr Pa fühlten sich zu dritt sehr wohl, und es ging ihnen prächtig. Aber wenn eine Dame wie diese Olivia Baron die Nase über sie rümpfte, war das nicht angenehm. Alle Männer in der Hütte behandelten sie, als sei sie etwas Besonderes – etwas, wofür man einen Ringkampf austrägt. Das war noch unangenehmer.
    Ellen hörte auf, den Boden zu fegen und schaute aus dem Fenster. Jebs Axthiebe hörte man wie regelmäßige Herzschläge. Katy stapelte die Scheite auf, die vom Hackstock sprangen. Slim saß auf einem Baumstumpf und schnitzte an einem Stück Holz. Das geschiente Bein hatte er von sich gestreckt. Katys Flinte lehnte auffällig neben dem Holzstapel. Sie traute den beiden Goldsuchern nicht, obwohl Pa diesem Jeb die Hucke voll gegeben hatte. Vielleicht wollte Katy aber auch nur allen zeigen, wie hartgesotten sie war.
    Pa war noch in der Mine, obwohl die Sonne jede Sekunde hinter dem Thunder Ridge verschwinden würde. Wegen dieser Olivia hatte er wertvolle Zeit im Schacht verloren. Trotzdem schaute Pa die Frau so komisch an. Es war falsch von Katy gewesen, die Geschichte erfunden zu haben, daß Olivia Pa’s Frau war. Aber ihrem Vater gefiel die Rolle des Ehemanns allem Anschein nach recht gut.
    Ellen stellte den Besen in die Ecke und kniete sich vor den Kamin, um die Asche herauszuschaufeln, Olivia saß am Tisch und stöhnte über einem Kochrezept, das sie studierte. Sogar das Seufzen dieser Frau regte Ellen auf. Sie hatte sich angeboten, das Abendessen zu kochen, weil Ellen die Hütte aufgeräumt und Wäsche gewaschen hatte. Sie fand ihre Hilfsbereitschaft nur lästig. Die hochnäsige Frau wollte nur allen zeigen, daß sie kochen konnte. Ellen hatte den Verdacht, daß ihre Kochkünste in den vergangenen Tagen dieser Olivia zugeschrieben worden waren, und die alte Hexe hatte das Lob natürlich eingeheimst, ohne richtigzustellen, wer die Köchin war.
    Mit einer Grimasse des Abscheus stieß Ellen die Schaufel in den Aschehaufen unter dem Eisenrost. Weiße Aschewolken wirbelten hoch, die sich überall absetzten, nur nicht auf die Schaufel. Das Feuer gestern abend hatte lange gebrannt und eine Schicht feiner weißer Asche über der größeren grauen Asche hinterlassen. Fein und weiß, fast wie Mehl.
    Plötzlich wußte Ellen, wie sie Olivia Baron blamieren konnte.
     
    Olivias Verachtung gegen männliche Verhaltensweisen hatte sich im Laufe des Tages in milde Nachsicht gelegt. Jeb und Slim setzten sich brav und höflich zu Tisch. Vorher hatten sie sich gemeinsam mit Gabe im eisigen Wasser gewaschen. Nun saßen sie mit sauberen Gesichtern und gekämmten Haaren da, einem Bärenhunger und erwartungsvollen Blicken. In Gabes Gesichtszügen war ein Rest von Wachsamkeit zu erkennen, den die beiden Goldsucher nicht zu bemerken schienen. Sie fühlten sich pudelwohl, als seien sie drei uralte Freunde.
    Katy hingegen machte keine Anstalten, ihr Mißtrauen gegen die beiden zu verbergen. Säße ihr Vater nicht mit bei Tisch, würde zweifellos ihre Flinte neben dem Hocker lehnen. Ellen war aus irgendeinem Grunde unruhig. Das Mädchen hatte wieder einmal den ganzen Tag geschmollt.
    Olivias Gedanken kreisten immer wieder um Gabe. Er war den ganzen Tag in der Mine gewesen, was ihr die Mühe ersparte, ihm ein beleidigtes Gesicht zu zeigen. Sie war immer noch wütend über den Ringkampf – seine Brutalität, Primitivität und Sinnlosigkeit. Ganz zu schweigen von der Unverfrorenheit, sich um ihre Person zu prügeln, als sei sie eine Färse auf dem Viehmarkt.
    Noch wütender war sie wegen des Kusses. Immer wieder mußte sie daran denken und erlebte dabei jede erniedrigende Sekunde erneut. Erniedrigend, beschämend und … erregend. Der Kuß hatte einen wilden Aufruhr an Empfindungen in ihr ausgelöst. Sie hatte sich dem Kuß hingegeben. Sie hatte sogar Gefallen daran gefunden. Sie war eine Närrin, und Danaher war ein noch größerer Narr, sie zu küssen, um dann loszugehen wie der Drachentöter aus einer Rittersage. Er hätte ernstlich verletzt, verkrüppelt, sogar getötet werden

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