Die Medizinfrau
bin ich seiner Spur eine Weile gefolgt, ob er nicht kehrtgemacht hat. Morgen müssen wir aufpassen, damit wir ihm nicht begegnen. Das hält uns ein wenig auf.«
»Je länger je lieber«, erklärte Olivia seufzend.
Gabe grinste. »Tut Ihnen das Hinterteil weh?«
»Alles tut mir weh. Und außerdem zieht es mich nicht unbedingt in die Hütte zurück zu Ellens Unterricht in Flicken, Nähen, Waschen und Kochen.«
Danaher lachte in sich hinein. »Sie gibt Ihnen ganz schön zu tun, nicht wahr? Vielleicht war es ein Fehler, ihr Vertrauen zu gewinnen. Wie haben Sie das eigentlich angestellt?«
»Das ist Frauensache, Mr. Danaher.«
»Zu schade, daß Ihnen das nicht auch mit Katy gelungen ist.«
»Katy ist ein Fall für sich. Mein Abschied ist wohl ihr schönstes Weihnachtsgeschenk.« Olivia lächelte gequält. »Sie haben das Mädchen zu einer ziemlich eigenwilligen kleinen Persönlichkeit erzogen.«
»Sie hat sich eigentlich selbst erzogen und mich mitgeschleift.«
»Mein Vater hat früher ähnliche Worte über mich gebraucht.«
»Das kann ich mir vorstellen.« Er stocherte in die Hasenbraten, der Saft tropfte zischend ins Feuer, und es duftete verlockend. »Ich glaube, unser Abendessen ist fertig.«
Danaher reichte Olivia einen Bratenspieß, und sie überlegte, wie sie das Fleisch in ihren knurrenden Magen befördern könnte. »Aber … ähm … wie ißt man Hase am Spieß?«
Sie sah zu, wie Danaher einen Schlegel abdrehte und herzhaft zubiß.
»So wie ich«, meinte er mit vollem Mund. Der Saft lief ihm übers Kinn und tropfte auf sein Hemd.
»Ich fürchte, ich habe in der Schule gefehlt, als wir barbarische Eßsitten durchgenommen haben.« Olivia verzog das Gesicht und versuchte an ein handliches Stück Hase heranzukommen. Sie drehte und zerrte vergeblich. Heißes Fett lief ihr über die Hand und den Arm, doch der Schlegel ließ sich nicht lösen. »Ist es zuviel verlangt, wenn ich Sie um ein Messer bitte?«
»Keineswegs.« Er holte ein langes Messer aus der Scheide an seiner Hüfte, warf es durch die Luft, daß es neben ihr im Boden steckenblieb.
»Und eine Gabel?« fragte sie hoffnungsvoll.
Er tat, als habe er nie davon gehört. »Eine was?«
»Sie sind ein Barbar.«
»Barbar und Ire sind ein und dasselbe, behaupten manche Leute.«
Nachdem die Hasen verspeist und die Pferde getränkt und angepflockt waren, wusch Olivia sich die Hände in einem Topf Schneewasser, das sie über dem Feuer erwärmt hatte. Dann versuchte sie mit dem Kamm durch ihr vom Wind zerzaustes Haar zu gehen. So sehr sie den Knoten im Nacken auch festzurrte, der Montanawind zerrte immer wieder Strähnen heraus und zerzauste sie. Den ganzen Tag war sie Wind und Wetter ausgesetzt, und das Haar war völlig verfilzt.
»Lassen Sie mich mal ran.« Danaher nahm ihr den Kamm aus der Hand.
»Mr. Danaher!«
»Wenn man mit zwei Töchtern zusammenlebt, lernt man zerzaustes Haar zu kämmen. Eine Bürste wäre besser.«
»Als Sie mich aus meiner Praxis fortschleppten, ließen Sie mir nicht genügend Zeit, alle meine Toilettenartikel einzupacken.«
»Dann muß der Kamm genügen. Das ist ja völlig verfilzt.« Seine Hand fuhr durch ihr gelöstes Haar. Schauer liefen ihr den Rücken entlang.
Eine Weile saß sie ganz still, während Danaher behutsam die Knötchen löste. Olivia starrte wie hypnotisiert ins Feuer. Seine Hände, die in ihrem Haar hantierten, gaben ihr ein wohliges Gefühl, und der flackernde Feuerschein versetzte sie in einen Zustand sinnlichen Wohlbehagens. Am Rande ihres Bewußtseins hörte sie seine Stimme. Er redete über die Zwillinge – daß Ellen früher jedesmal losgeheult habe, wenn er sie kämmte; daß Katy eines Tages ihre langen Zöpfe in Ohrenhöhe abgeschnitten hatte und sie ausgesehen habe, als hätten die Mäuse an ihren Haaren geknabbert. Seine Hände waren der Mittelpunkt von Olivias augenblicklicher Welt – der sanfte Druck auf ihrer Kopfhaut, das gelegentliche Streifen seiner Finger an ihrem Hals. Jegliche Willenskraft wich von ihr; eine warme Flut sinnlicher Mattheit durchströmte sie.
Wie viele Seiten hatte dieser Danaher? Er war ein Trunkenbold, ein mit der Waffe herumfuchtelnder Entführer, ein hochnäsiger Emporkömmling, liebevoller Vater, lüsterner Verführer, Retter, Spötter, Barbar, Desperado. Schlüpfte er nun in die Rolle der Kammerzofe oder des Verführers? Olivia hätte nie gedacht, daß eine Frau beim Frisieren verführbar war. Aber sie wußte auch, wenn Danaher seine Zärtlichkeiten
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