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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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haben?«
    Olivia überlegte einen Moment, dann antwortete sie wahrheitsgetreu. »Jede Frau denkt gelegentlich an Heirat und Kinder, gleichgültig, welche Lebensziele sie hat. Aber es gibt auch viele Ärztinnen, die verheiratet sind und Kinder haben.«
    Danaher schwieg.
    »Und was sind Ihre Ziele, Mr. Danaher? Wollen Sie mit Ihrer Mine reich werden und die Welt im Sturm erobern?«
    Eine dunkle Wolke huschte über Danahers Gesicht.
    »Diese Mine hat mich bereits reich gemacht«, entgegnete er schließlich. »Nur noch nicht reich genug. Wenn ich es geschafft habe, nehme ich mir das, was ich will, im Sturm, das garantiere ich Ihnen.«
    Sein Blick jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Es war wohl besser, bestimmte Dinge über Gabriel Danaher nicht zu wissen.
    Sie ritten in einträchtigem Schweigen weiter. Hin und wieder hielt Gabriel an und untersuchte den Boden und das Gestrüpp neben dem Weg.
    Auf ihren fragenden Blick erklärte er: »Bruno war hier. Er folgte dem Weg bergauf. Ich möchte ihm nicht unvorbereitet begegnen.«
    »O«, meinte Olivia kleinlaut.
    »Keine Sorge. Er muß hier ganz früh am Morgen vorbeigekommen sein. Jetzt ist er längst weiter oben.«
    Trotz seiner Beteuerungen blieb Danaher wachsam. Und Olivia vermutete nun hinter jedem Baum, in jedem Schatten einen Grizzly.
    Am späten Vormittag zügelte Danaher das Pferd und hielt den Kopf schief, als horche er auf etwas.
    »Bleiben Sie hier.« Mit gezogener Pistole verließ er den Weg und lenkte das Pferd an einen Felsvorsprung. Nach einem vorsichtigen Blick über die Felsen schob er die Pistole wieder in den Halfter, was Olivia als Zeichen nahm, daß keine Gefahr bestand. Sie setzte ihr Pferd in Bewegung.
    »Was gibt’s?«
    Danaher bog einen Fichtenzweig zurück. Die Öffnung einer Höhle wurde sichtbar. In der Morgensonne lagen verrenkte kleine, pelzige, blutverschmierte Tierkadaver.
    »Anscheinend hat Bruno diesen Wurf junger Wölfe entdeckt und sie zum Frühstück verspeist.«
    »Die armen Dinger!«
    Zerzauste Felle waren in Blut getränkt. Abgebissene Läufe und Köpfe lagen herum. Nur einer lebte noch. Sein Fell war blutverklebt und ein Hinterlauf hing verletzt weg. Doch das überlebende Wolfsjunge knurrte mit gefletschten Zähnen.
    »Sehen Sie sich das an!« rief Olivia. »So klein und so tapfer!«
    »Er hat Schneid für sein Alter«, stimmte Danaher zu.
    »Wie alt mag er sein?«
    »Acht Wochen. Mehr nicht.« Er zog die Pistole.
    Olivia packte seinen Arm. »Was haben Sie vor?«
    »Ich tu ihm einen Gefallen. Er hat Schmerzen. Er kann nicht überleben.«
    »Vielleicht kommt seine Mutter zurück.«
    »Wenn sie kommt, bringt sie ihn um oder läßt ihn verhungern. Die Natur ist keine gute Mutter, Doc. Sie hat keinen Platz für Verletzte und Verkrüppelte.«
    »Nein, Danaher. Nicht. Bitte.«
    »Verdammt, Doc! Erst das Pferd. Jetzt ein Wolf?«
    »Murdoch ist wieder ganz gesund geworden.«
    »Das ist ein Wolf! Kein Pferd, das stillsteht und sich von Ihnen verarzten läßt.«
    »Es ist ein junges Tier.«
    »Ein junger Wolf! Jetzt fletscht er noch seine Milchzähne, und die sind schon sehr spitz und gefährlich.«
    »Ich kann ihm die Schnauze zubinden.«
    Er senkte die Pistole. »Herrgottnochmal!«
    »Sie fluchen, Danaher? Schämen Sie sich.«
    »Es war ein Stoßgebet, Doc. Sie sind nicht ganz richtig im Kopf. Angenommen, es gelingt Ihnen, ihn durchzubringen. Was wollen Sie mit einem Wolf anfangen?«
    »Sobald er gesund ist, gebe ich ihm die Freiheit.«
    »Er wird nie überleben. Er ist zu jung, und er hat keine Mutter, die ihm das Jagen beibringt.«
    Sie zögerte, etwas unsicher geworden. »Ihn behalten?« schlug sie vor.
    »Wollen Sie mit einem Wolf durch New York City spazieren?«
    »Ich dachte an Sie. Er ist jung, man kann ihn zähmen.«
    »Möglicherweise. Vielleicht aber auch nicht. Ein Wolf ist kein Hund.«
    Sie warf dem Welpen einen traurigen Blick zu. Er hatte aufgehört zu knurren und betrachtete die Eindringlinge aus angstvollen Augen. »Sie können ihn doch nicht einfach erschießen.« Olivias Blick war ebenso verzweifelt wie der Blick des Welpen. Danaher schüttelte den Kopf und furchte die Stirn. »Gott steh mir bei!«
    Sie war ein absolutes Greenhorn und obendrein eine sentimentale Närrin, doch sie zerrte an seinem Herzen mit ihrer Entschlossenheit, jedem verletzten Geschöpf helfen zu wollen. Er schien wohl nicht mehr klar denken zu können, denn er hatte soeben einen Wolf erworben. Vielleicht war es Danahers Erbarmen mit dem

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