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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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verängstigten, verletzten Wolfsjungen, das den letzten Groll verscheuchte, den Olivia gegen ihn hegte, sie entführt zu haben. Vielleicht hatte sie ihm aber auch schon Tage zuvor vergeben, als er wegen ihr gegen den hühnenhaften Goldsucher gekämpft hatte, oder schon an dem Abend, als er Katy dazu gebracht hatte, ihm einen Gutenachtkuß zu geben.
    Wie dem auch sei, irgendwann hatte sie aufgehört, Danaher für einen Taugenichts zu halten und begonnen, ihn als einen Mann zu sehen, der sie zum Lächeln brachte, wenn er in ihrer Nähe war – und manchmal auch zum Lachen. In ihrem Leben hatte sie viel Erfolg und persönliche Erfüllung erfahren, aber wenig Lachen. Mit Danaher zu lachen tat ihr gut.
    Den Rest des Tages ritten sie gemächlich dahin. Ihr haariger Patient, untergebracht in eine Schlinge, die von Longshots Sattel hing, brauchte häufig Zuwendung, und die Landschaft schien kein anderes Tempo zuzulassen. Ein Adler zog majestätische Kreise hoch oben am Himmel. Der Wind spielte in den Wipfeln der Bäume, ein Bach hüpfte plätschernd über die eisbedeckten Stufen der Biberdämme. Olivia lächelte still vor sich hin, ohne daß sie einen Grund hätte nennen können. Auch Danaher lächelte viel, stellte sie fest. Wenn er lächelte, erhellte sich sein Gesicht. Sie dachte an das warme, seltsame Glücksgefühl, als er sie küßte, und Hitze stieg ihr ins Gesicht. Eines Tages, schalt sie sich streng, würde sie in Erinnerung an diese Episode wissen, daß sie unter einer temporären Geistesverwirrung gelitten hatte.
    Sie konzentrierte sich wieder auf ihr wundgescheuertes Hinterteil und ihren schmerzenden Rücken. Das waren Dinge, mit denen sie umgehen konnte.
     
    Katy hatte inständig gehofft, daß ihr Vater die Frau Doktor bis nach Elkhorn gebracht hatte. Sie hatte wirklich nicht so viele Sünden in ihrem jungen Leben begangen, um zu verdienen, daß die Frau zurückkam. Ihr Herz sank vor Enttäuschung, als die beiden einen Tag vor Weihnachten zur Hütte geritten kamen. Sie hatte nur einen Reiter erwartet. Die blöde Ellen hüpfte auf und ab, als freue sie sich, daß diese Frau wieder da war.
    »Ist der Weg immer noch zu?« Katy empfing Olivia mit finsteren Blicken, als sie mit ihrer Arzttasche und der Deckenrolle die Hütte betrat. Sie wußte, daß die Frau nichts dafür konnte, daß der Weg immer noch blockiert war. Aber Katy hatte sich so gefreut, wieder zu dritt zu sein.
    Als Krummer Stab und ihr Vater einander feixend begrüßten, stieg eine Woge der Wut in Katy hoch. Dieser Grünschnabel, dieser Eindringling, diese ahnungslose, nutzlose Person aus dem Osten war schlimmer als eine Klette im Haar, die würde man leichter los. Ihr Vater war so benebelt von der Person, daß er gar nicht mehr sah, was für eine Last sie war. Und sie hatte einen seltsamen Ausdruck im Gesicht, wenn sie ihren Vater ansah – so freundlich, als sei etwas zwischen ihnen gewesen.
    Mit diesem geheimnisvollen Lächeln sprach sie Katy an, als wisse sie nicht, daß Katy sie lieber anspucken als mit ihr reden würde. »Wir haben etwas mitgebracht, Katy; es wird dir gefallen. Dein Vater sagte mir, daß du dir immer schon einen Hund wünschst.«
    Ihr Vater lachte. »Eigentlich ist es kein Hund.«
    »Er ist schon ganz zahm.«
    »Er ist ein Welpe. Warten Sie, bis sein Lauf geheilt ist und er größer wird.«
    »Ein Welpe?« fragte Katy.
    »Ein Wolfswelpe«, klärte ihr Vater sie auf. »Bruno trieb sich heute in der Gegend herum und brachte einen Wurf Wölfe um, bis auf einen. Ich wollte ihn erledigen, aber Olivia hatte ihm schon einen Verband angelegt, bevor ich die Pistole ziehen konnte.«
    »Das stimmt nicht. Sie haben ihn festgehalten, als ich ihm den Verband anlegte.«
    »Ich hab’ sein Gebiß nur von Ihren Händen weggehalten.«
    »Seitdem hat er nicht mehr nach mir geschnappt.«
    Danaher grinste. »Drehen Sie ihm bloß nicht den Rücken zu.«
    »Wir müssen ihr einen neuen Namen geben«, erklärte Krummer Stab. »Frau, die mit dem Wolf geht.«
    »Großmaulfrau paßt besser zu ihr«, entgegnete Gabe.
    Katy war zwischen Neugier auf das Wolfsjunge und Wut, daß die beiden über etwas gemeinsam Erlebtes scherzten, hin- und hergerissen. Die Neugier siegte.
    »Wo ist er?«
    »In einer Schlinge am Sattel deines Vaters«, erklärte Olivia. »Wir müssen ihm ein Lager am Kamin richten.«
    »Heißt das, Sie wollen diesen Wolf in meine Hütte bringen und behandeln wie einen Ihrer Patienten?« Die Stimme ihres Vaters klang amüsiert statt verärgert,

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