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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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Staubwolke aus dem Stollen.
    Ellen schrie. »Es ist noch nicht vorbei! Lieber Gott! Bitte, laß das nicht zu!«
    Katy versuchte, sich Olivias Griff zu entwinden. Olivia schüttelte sie heftig.
    »Katy, sei nicht dumm. Ich brauche deine Hilfe.«
    »Pa!«
    »Wir holen ihn heraus. Jetzt denk nach. Dein Vater hat doch etwas, womit er Kontakt zu Krummer Stab aufnimmt. Was ist es?«
    »Eine Laterne oben auf der hohen Fichte. Aber Krummer Stab ist unterwegs zum Winterlager von Büffelhöcker. Er ist zu weit weg, um das Signal zu sehen.«
    »Gibt es in der Nähe andere Schürfer, die uns helfen könnten?«
    »Nein. Niemand.«
    So ein Pech. Der Weg nach Elkhorn war versperrt, um Hilfe zu holen. Als Jebediah und Slim gingen, hätte sie nie gedacht, daß sie schon bald zehn Jahre ihres Lebens geben würde, die beiden Kerle wiederzusehen.
    »Katy, hole Schaufel, Picke und Brecheisen, alles was du finden kannst! Und die Schubkarre. Ellen, du bringst ein sauberes Laken, das wir zu Verbänden zerreißen können und meine Arzttasche. Und Lampen. Beeilt euch.«
    Die Mädchen wurden ruhiger, sobald sie etwas zu tun hatten. Olivia hingegen spürte die Krallen panischer Verzweiflung beim Gedanken an den verschütteten Danaher. Vielleicht rang er nach Luft, lag halb verschüttet, lebendig begraben und wartete auf einen langsamen, qualvollen Tod.
    Ob es ihnen gelang, das Geröll wegzuschaffen, unter dem er begraben lag? Oder waren sie gezwungen, verzweifelt zu warten mit dem Wissen, daß er langsam starb, und sie keinen Finger rühren konnten?
    Katy kam mit der Schubkarre und zwei Schaufeln, Picke, Brecheisen und dicken Arbeitshandschuhen wieder. Hinter ihr keuchte Ellen heran mit Olivias Arzttasche, zwei Lampen und einem Laken.
    Olivia zog die Handschuhe an. »Ellen, du bleibst hier und reißt das Laken in Streifen.«
    »Ich will auch graben.«
    »Wir können nicht alle drei graben. Wenn der Schacht noch einmal einstürzt, ist niemand da, der Hilfe holen kann.«
    Woher Ellen Hilfe holen sollte, wußte Olivia freilich nicht.
    »Zünde eine Lampe an und hänge sie in die Fichte. Vielleicht haben wir Glück, und jemand sieht sie. Katy und ich nehmen die zweite mit.«
    Im Schacht hing dicker Staub in der Luft. Auf halbem Wege war der Stollen mit Felsbrocken und Geröll blockiert.
    »Pa!« rief Katy an der Mauer aus Gestein.
    »Gabriel! Können Sie uns hören?«
    Keine Antwort. Katy schaute mit großen, verzweifelten Augen auf die Einsturzstelle. Olivia hätte nie gedacht, das freche, kleine Mädchen so hilflos zu sehen.
    »Wir graben.« Olivia bemühte sich, optimistisch zu klingen. »Stell die Lampe ab! Ich schiebe die Schubkarre hier herüber. Sei vorsichtig mit der Picke. Ich habe keine Lust, dich auch mit der Schubkarre ins Freie zu befördern.«
    »Die Schubkarre ist da, um Pa aus dem Schacht zu holen, nicht wahr? Sie glauben, daß er tot ist.«
    »Ich weiß nicht, in welchem Zustand er ist, Katy. Tragen können wir beide ihn jedenfalls nicht, wenn er nicht gehen kann.«
    Sie hackten und gruben und riefen und hackten und gruben weiter. Das Geröll war nicht so fest, wie Olivia befürchtet hatte. Mit Schaufel und Picke kamen sie gut voran. Doch wenn der Einsturz sich bis ans Ende des Stollens fortsetzte, gab es keine Hoffnung.
    Olivia hatte keine Vorstellung, wieviel Zeit vergangen sein mochte. Ihre Schultern und Arme brannten vor Schmerz. Trotz der Handschuhe war die Haut an ihren Händen aufgeplatzt. Ihr Atem rasselte durch den Staub und dem endlosem Rufen, auf das sie keine Antwort erhielten. Neben ihr keuchte und ächzte Katy vor Anstrengung, als sie Felsbrocken und Steine wegschaffte. Auch Olivia ächzte und stöhnte.
    Es war alles egal. Wichtig war nur, daß sie Danaher fanden. Der Gedanke, ihn hier lassen zu müssen, begraben unter Felsgestein, die grünen Augen aufgerissen ins Dunkel starrend, zerriß ihr das Herz – ein Schmerz, der sie ein Leben begleiten würde, davon war sie überzeugt. Während sie verbissen arbeitete, betete Olivia, obwohl sie davon überzeugt war, Gott belohne Taten, nicht Gebete. Wenn aber alle Anschuldigungen und Taten nicht ausreichten, dann konnte nur ein Wunder helfen.
    Olivia war so in ihre Schufterei vertieft, daß sie kaum bemerkte, daß Katy nicht mehr ächzte, sondern weinte. Sie kauerte neben ihr, ein erschöpftes Häufchen Unglück.
    »Ich kann nicht mehr!« schluchzte die Kleine. »Wir … wir kommen nicht durch.«
    »Ruh dich aus, Katy.«
    Das Kind wimmerte eine unverständliche Antwort und

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