Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
Ola weiter. Ganz abgesehen von den vielen Fragen, die ich zu stellen hatte, wollte ich ihr unbedingt erzählen, dass mein Vater krank war. Und außerdem waren Olas Umarmungen für mich wie Medizin, und mir taten sämtliche Muskeln weh. Wie üblich freute sich Ezinne, mich zu sehen. Sie schloss die Glastür auf und umarmte mich herzlich. Ich wartete im Wohnzimmer, während sie hineinging, um ihre Schwester davon zu unterrichten, dass ich da war. Sekunden später stand sie wieder vor mir.
»Bruder Kings, Ola ist nicht zu Hause.« Ich sah sie mit großen Augen an.
Sie stand da, zupfte an ihren ordentlich geflochtenen Zöpfen, drehte einen Fuß auf dem Boden hin und her und hielt den Blick gesenkt.
»Ezinne, geh noch mal rein und sag Ola, dass ich sie sprechen möchte.«
Sie tat wie geheißen.
Zehn Minuten später kam Ola heraus. Sie trug ein buntgefärbtes Boubou und hatte die Miene einer verärgerten Königin aufgesetzt. Sie war in Begleitung einer ihrer Freundinnen von der Uni. Das Mädchen hatte einen dieser kokett klingenden Namen, die ich nie behalten konnte. Thelma … oder Sandra … oder so was Ähnliches. Die beiden begrüßten mich und setzten sich auf die Stühle, die meinem gegenüber standen.
»Mein Vater ist heute Nacht ins Krankenhaus gekommen«, sagte ich. »Er hatte einen Schlaganfall.«
»Einen Schlaganfall, wie kommt das denn? Wie geht es ihm?«
»Ich bin gerade wieder auf dem Weg ins Krankenhaus. Ich wollte dich nur vorher kurz besuchen. Wie geht es dir?« Ich dachte, sie würde mir vielleicht anbieten mitzukommen. Stattdessen erstarrte sie plötzlich zu Eis.
»Danke, bestens«, sagte sie mit einer Stimme, die einige Grad unter Null lag.
»Ich war überrascht, als ich gestern in der Uni war und gesagt bekam, du wärst in Umuahia.«
»Ja, ich bin hier.«
Ihre Antwort klang ein wenig daneben. Trotzdem akzeptierte ich sie. Sie trug die gleiche Armbanduhr wie beim letzten Mal, von Dolce & Gabbana . Nur war das rote Armband gegen ein braunes ausgetauscht worden, was zu ihren Fendi- Ballerinas passte. Ola wirkte verdrießlich und so starr wie eine Salzsäule.
»Ola, ist alles in Ordnung mit dir?«
Ihre Freundin schnipste – laut – ein wenig Dreck von einer ihrer rotlackierten Krallen. Ola holte tief Luft.
»Kingsley«, sagte sie. »Ich glaube, unsere Wege sollten sich trennen. Was mich angeht, hat unsere Beziehung keine Zukunft.«
Sie sprach so schnell, dass die Wörter förmlich übereinanderpurzelten. Zwar hörte ich, was sie sagte, aber ich war vollkommen außerstande, mir die Bedeutung des Gesagten zu erschließen.
»Ola, was hast du gesagt?«
Das andere Mädchen entriss ihr die Antwort.
»Was verstehst’n daran nich? Sie hat dir gesagt, was sie denkt, und nu isses deine Sache, das du asseptieren.«
Diese dämliche Xanthippe hatte wie so viele ihrer Landsleute aus Edo im mittleren Westen von Nigeria einen durch ihre Muttersprache verursachten Sprachfehler, der verhinderte, dass sie die Lautfolge -ks mit der gehörigen Deutlichkeit aussprach. Sie klang bei ihr immer wie das scharfe s. Ich ignorierte die dumme Pute.
»Ola, bitte, lass uns irgendwo hingehen, wo wir unter vier Augen reden können, … bitte.«
Ola beugte sich leicht vor, als wolle sie sich erheben.
» Abeg , du geh nirngs mit ihn hin, ja .« Die Xanthippe verfiel, um sie zurückzuhalten, in den für sie bequemeren Pidgin-Dialekt. »Iss dein Lem oda nich?« Ola richtete sich wieder kerzengerade auf.
Die Xanthippe schien in dieser Sache offenbar das Sagen zu haben. Unvermittelt stand sie auf und versetzte Ola einen leichten Stoß. Ihre Aufgabe war erfüllt. Sie hatten die Atombombe abgeworfen. Ola erhob sich. Ich wunderte mich, warum sie dieser Neandertalerin erlaubte, sie so herumzukommandieren.
»Kingsley, ich muss los. Wir sind verabredet.«
Ich kniete mich vor meinen Sessel und griff nach ihrer Hand. »Ola, bitte, … lass uns doch wenigstens nach nebenan gehen und reden …«
Ich glaubte, in ihren Augen einen Hauch von Schmerz zu erkennen, doch der Moment verging so schnell, dass ich mich auch getäuscht haben konnte. Sie drehte sich um und eilte aus dem Zimmer. Bald darauf kam sie in einem braunen Kleid wieder herein, dicht gefolgt von der Xanthippe. Der Duft ihrer beiden Parfüms zog durch das Zimmer. Jedes Molekül stank nach teurem Geld. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, stolzierten sie zur Tür hinaus. Wie ein Idiot lief ich hinterher.
»Ola …«, rief ich. »Ola.«
Sie drehte sich nicht einmal
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