Die Meerhexe
aufgelöst?«
»Jedenfalls sind sie verschwunden. Aber nicht via Luft, eher auf festem Boden. Wir glauben, daß sie sich hier irgendwo in der Nähe verkrochen haben. Aber das alles sind nur Annahmen.«
»Haben die Kidnapper denn bisher noch keine Verbindung aufgenommen, noch keine Forderungen gestellt?«
»Nein, das macht die ganze Sache ja so seltsam.«
»Glauben Sie denn überhaupt, daß es um Lösegeld geht?«
»Nein.«
»Um die Meerhexe ?«
»Ja.«
»Wissen Sie, weshalb Lord Worth nach Washington geflogen ist?«
»Nein, aber ich wüßte es gern.«
»Um Schutz durch die Marine anzufordern. Heute morgen in aller Frühe haben ein russischer Zerstörer und ein kubanisches U-Boot Havanna verlassen, während ein zweiter Zerstörer in Venezuela die Anker lichtete. Sie fahren aufeinander zu, und wie es scheint, ist der Schnittpunkt ihrer Routen die Meerhexe .«
Mitchell brauchte eine Weile, um das Gehörte zu verdauen. Dann fragte er: »Ist das sicher?«
»Ja. Diesmal sieht es ziemlich böse für den Lord aus. Das einzige Tröstliche ist, daß ihm nach dieser Sache nicht mehr viel passieren kann. Bitte halten Sie mich auf dem laufenden.«
In Lord Worths Funkraum legten Roomer und Mitchell gleichzeitig die Hörer auf.
Mitchell erging sich eine Weile in Kraftausdrücken und sagte schließlich: »Guter Gott, ich hätte nie gedacht, daß seine Feinde so weit gehen würden.«
»Ich auch nicht«, sagte Roomer. »Und ich weiß auch gar nicht, ob ich es jetzt denke.«
»Du meinst, Uncle Sam wird nicht zulassen, daß sich fremde Marineeinheiten in seinen Hoheitsgewässern tummeln?«
»So was in der Art, ja. Ich glaube nicht, daß die Sowjets wirklich eine Konfrontation riskieren würden. Vielleicht ist es nur ein Bluff, und der tatsächliche Angriff kommt von einer völlig anderen Seite.«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber eins ist sicher: Larsen hat recht, wenn er sagt, daß es diesmal ziemlich böse für den Lord aussieht. Ich würde sogar sagen, es könnte kaum böser aussehen.«
»Scheint so«, murmelte Roomer geistesabwesend – er war mit seinen Gedanken offensichtlich ganz woanders.
»Sag bloß nicht, du wurdest wieder mal von deiner Intuition heimgesucht«, sagte Mitchell.
»Ich bin nicht sicher. Als du mit Larsen sprachst, sagtest du etwas von ›festem Boden‹. Festes Land – trockenes Land. Was wäre, wenn sie sich nicht auf trockenem Boden aufhielten, nicht auf festem Land?«
Mitchell wartete höflich auf die Fortsetzung.
»Wenn du dich in Florida verstecken, wirklich unauffindbar sein wolltest, wo würdest du dann hingehen?« fragte Roomer.
Mitchell brauchte nicht lange nachzudenken. »Wir sind doch die Hellsten! Sie sind in den Sümpfen! Na klar! Da draußen kann man sich einen Monat lang verstecken, und nicht einmal ein Armeebataillon würde einen aufspüren. Das erklärt auch, warum die Polizei den Kombi nicht gefunden hat.« (MacPherson und Jenkins hatten eine ziemlich gute Beschreibung des Wagens geben können.) »Sie haben die Highways und Nebenstraßen überprüft! Aber ich wette – auf die Idee, auch die Straßen zu checken, die in die Sümpfe führen, sind die nicht gekommen.«
»Aber wir!«
»Na, wir sind ja auch helle – wie ich schon sagte. Es gibt Dutzende von Wegen in die Sümpfe, aber die meisten sind so kurz, daß man schon nach ganz kurzer Zeit an einen Punkt kommt, an dem Vehikel mit Rädern nicht mehr weiter können. Wenn ein paar Dutzend Polizeiwagen eingesetzt würden, könnte man die nächstgelegenen Sümpfe in einer Stunde durchgekämmt haben.«
Mitchell wandte sich an Robertson: »Holen Sie mir Chef McGarrity an die Strippe.«
Es klopfte an die halb offenstehende Tür, und Louise, eines der jungen Dienstmädchen, erschien auf der Schwelle. Sie hatte eine Karte in der Hand. »Das da habe ich beim Bettenmachen in Miß Marinas Zimmer gefunden.«
Mitchell nahm ihr die Karte aus der Hand. Es war eine vorgedruckte Visitenkarte mit Marinas Namen und Adresse.
»Sie müssen sie umdrehen«, sagte Louise.
Mitchell tat es und hielt die Karte so, daß Roomer es auch sehen konnte: mit Kugelschreiber hatte jemand darauf geschrieben: »Ferien. Kleine Sonneninsel. Kein Badeanzug.«
»Kennen Sie Miß Marinas Handschrift?« fragte Mitchell Louise. Ihm war plötzlich bewußt geworden, daß er sie nicht kannte.
»Ja, Sir«, nickte das Mädchen und schaute ebenfalls auf die Karte. »Ich bin sicher, daß sie das geschrieben hatte.«
»Ich danke Ihnen, Louise. Diese
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